Ein Abriss kam für sie nicht in Frage: Als neue Eigentümer wollten Katarina und Daniel Huber die Geschichte der 1924 erbauten Villa Friedhalde am Irisweg in Küsnacht weiterschreiben. Ein Hausbesuch zum 100-Jahr-Jubiläum.
Romantiker behaupten, man spüre sofort, wenn man seinem Seelenverwandten begegnet. Genauso kann es einem beim Anblick eines Hauses ergehen. Acht Jahre lang durchforsteten Katarina und Daniel Huber den Immobilienmarkt auf der Suche nach einem schönen Heim für ihre wachsende Familie – bis die Villa Friedhalde zum Verkauf stand. Als sie zum ersten Mal das freundliche Haus mit den runden Giebeln am Irisweg in Küsnacht betraten, spürten sie sofort: «Das ist es!» Das Bauchgefühl stimmte und sie fühlten sich dem Haus sofort verbunden. 2021 erhielten sie den Zuschlag. Das Abenteuer Renovation begann. Denn ein Abriss der 1924 erbauten Villa war für das Paar keine Option, obgleich sie nicht unter Denkmalschutz steht.
Seele des Hauses bewahren
Es ist ein weitverbreitetes Phänomen: Historische Villen und Stadthäuser aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, umgeben von verwilderten Gärten mit Baumbestand, verschwinden aus dem Ortsbild. An ihrer Stelle stehen plötzlich strenge Kuben aus kühlen Materialien mit grossen Fenstern und gigantischen Garagentoren, wie sie Architekturzeitschriften gerne abbilden. Ganze Strassenzüge ändern ihr Gesicht – und verlieren an Charme, so zumindest empfinden es nostalgische Flaneure. Auch in Küsnacht haben sich viele Quartiere stark verändert. «Wir wollten dieser Entwicklung bewusst etwas entgegensetzen», erklärt Daniel Huber. «Für uns hat das alte Haus eine Seele, die wir bewahren wollten.»
Gewiss, ästhetische Urteile sind heikel, die Wahrnehmung von Schönheit höchst unterschiedlich, und wer sich an die Weisheit «De gustibus non est disputandum» hält, erkennt an, dass über Geschmack nicht gestritten werden kann, wohl aber darüber, was ihn beeinflusst.
«Für mich ist die Einzigartigkeit dieses Hauses sehr wichtig», sagt die 45-jährige Leadership-Expertin und Executive Coach Katarina Huber, während sie die sorgfältig erhaltenen Details hervorhebt, die den Charme und das Flair der Villa ausmachen. «In einem historischen Gebäude spürt man die Vergangenheit.» Man wird durchströmt von ihr, wenn man einen Moment innehält und das Haus auf sich wirken lässt. «Das kann starke Emotionen auslösen.» Der 49-jährige HR-Leiter Daniel Huber ergänzt: «Alte Häuser haben Charakter, eine ganz eigene Persönlichkeit, sie erzählen Geschichten, man wird Teil der Erzählung.»
Gleichzeitig modernisierten sie
Mit diesem Bewusstsein planten und führten sie die Renovierung gemeinsam mit einem Bauunternehmen durch. Dabei war den Hubers von Anfang an klar, dass sie die ursprüngliche Struktur des Hauses zwar bewahren, aber gleichzeitig modernisieren wollten. Die alte Heizung wurde durch eine Erdsonde ersetzt, die Fenster erneuert und ganze Wände herausgerissen. «Wir wollten uns nicht von den Gegebenheiten einschränken lassen, sondern alles hinterfragen, mutig sein und neu denken», erklärt Katarina Huber ihre Vorgehensweise.
Aus kleinen Zimmern entstand ein grosser, offener Raum, der den Charakter des Interieurs auf beeindruckende Weise verwandelte. Die alte Küche wurde zu einem halb offenen Esszimmer, das auf der einen Seite zum Garten führt und auf der anderen fliessend in den Wohnbereich übergeht. Dieser beeindruckt mit seiner Aussicht über die Dächer Küsnachts, auf die Kirche und den Zürichsee. Am Ende dieses offenen Raums fügt sich harmonisch eine moderne Küche ein – das Herzstück des Hauses. Hier wird nicht bloss gekocht, sie ist ein Ort der Zusammenkunft und Geselligkeit. «Sie zieht die Besucher magisch an, denn die besten Partys finden bekanntlich immer in der Küche statt – so sehr, dass manche Gäste gar nicht mehr gehen wollen», lacht Daniel Huber.
Gastfreundschaft wird bei den Hubers grossgeschrieben. Das Haus lebt. Nicht nur von den Geschichten der Bewohner, sondern auch von den Geschichten ihrer Gäste.
Dass das Interieur so stimmig wirkt, ist kein Zufall: Katarina Huber bringt als Künstlerin ein Auge für Ästhetik mit und entwickelte schon früh ein Flair für Einrichtung und Dekoration. Um ihre Ideen fachgerecht umzusetzen, absolvierte sie noch eigens eine Ausbildung zur Interieur-Designerin und besuchte Designmessen in Milano und Kopenhagen. Stundenlang bemusterte sie Kacheln, Türfallen und Wandfarben, setzte sich in die unfertigen Räume, stellte sich vor, wie die Farben wirken würden, beobachtete den Lichteinfall. «Katarina ist ein kreativer Kopf und entwickelte bald eine Vorstellung davon, was sie sich für unser Haus wünschte», erzählt Daniel Huber. Er habe ihr freie Hand gelassen und liess sich bei Skepsis überzeugen. Zum Beispiel als seine Frau mit der Idee aufkam, das Schlafzimmer ganz schwarz zu malen. Wird das nicht zu gruftig? Das Gegenteil ist der Fall. Die Führung durch das obere Stockwerk zeigt die spielerische Bandbreite und das intuitive Selbstbewusstsein, mit denen die Hausherrin vorgegangen ist. Das Schlafzimmer, dessen Wände und Decke mit der Farbe «Poivre Noir» bemalt wurden, strömen Eleganz, Geborgenheit und Ruhe aus. «Wir schlafen wunderbar darin», lacht Katarina Huber. «Fast zu gut.»
«Mut zur Farbe» ist einer ihrer wichtigsten Empfehlungen. Das von ihr gegründete Unternehmen Venture Leader, das Daniel Huber leitet und auf HR ad interim Mandate, Führungsberatung und Executive Coaching spezialisiert ist, wurde nun um den Bereich Interior Design erweitert, in dem sie neu Projekte für Kunden realisiert. «Mich interessiert die emotionale Qualität und das ästhetische Zusammenspiel von Farben», sagt Katarina Huber. Im Esszimmer setzte sie auf einen schwarzen Lavasteintisch und an den Wänden auf ein dunkles Grün namens «Market Street». «Je nach Tageslicht erzeugt diese Farbe eine komplett andere Stimmung.» Faszinierend: Die Farbe bringt die Augen der Menschen, die am Tisch sitzen, zum Leuchten. «Sie ist einfach perfekt als Hintergrund für gute Gespräche am Esstisch», so Katarina Huber.
Trotzdem sehr persönlich
Perfekt bedeutet nicht unpersönlich: Alle dekorativen Elemente, von grossformatigen Bildern, die Katarina Huber selbst gemalt hat, bis zu persönlichem Kleinkram, sind lieb gewonnene Dinge, die an wichtige Menschen oder Momente erinnern. Die beiden neun- und zehnjährigen Söhne, die ihre farbenfrohen Kinder- und Spielzimmer im Dachstock haben, musizieren im Wohnzimmer, Katarina spielt am Flügel, der dreijährige Labradoodle Jorgi kuschelt auf dem grossen Sofa. Auf den Dielen darf das Familienleben Spuren hinterlassen, die dem Raum mit der Zeit Patina und noch mehr Persönlichkeit verleihen werden.
Egal wohin man blickt: Die Dinge haben immer einen raffinierten Dreh. Selbst die Gästetoilette überrascht mit einem kreativen Twist: Grün-blau schimmernde Keramikkacheln und raffinierte Beleuchtung erinnern an das Innere einer Schmuckschatulle. «Warum sollte der kleinste Raum des Hauses langweilig sein?», fragt Katarina schmunzelnd.
Dass die Familie Huber die Geschichte der Villa Friedhalde weiterschreibt, kommt auch in der Nachbarschaft gut an. Die Schönheit des Hauses und des Gartens strahlt auf das Quartier aus und gibt ihm eine besondere Note. Denn alte Häuser wie die Friedhalde sind nicht nur ein Stück Geschichte – sie schaffen Identität, Heimat und Vertrautheit.