Besucher des Küsnachter Gemeindehauses werden auf eine Zeitreise mitgenommen. Im Eingangsbereich zeigt ein detailreiches Miniaturmodell das Dorfbild um 1880. Christian Meier arbeitete drei Jahre daran.
Weinreben, so weit das Auge reicht. Dazwischen der eine oder andere Weiler. Die reformierte Kirche markiert die Fläche, die zum Dorfkern werden sollte. Auf der Miniaturversion der Gemeinde Küsnacht von Christian Meier schreibt man das Jahr 1880. Ein unberührtes Küsnacht zeichnet sich ab. Gerade mal drei tausend Einwohner zählte die Gemeinde. Mit damals 145 Hektaren Weinland war Küsnacht das grösste Weinbaugebiet im Kanton Zürich.
Nur dank aufwendiger Recherchearbeit und Liebe zum Detail konnte der Hobbymodellbauer das historische Küsnacht so akkurat nachbilden. Im Massstab 1 zu 2500 zeigt sich ein Dorf im späten 19. Jahrhundert, wobei diverse heute noch bekannte Gebäude damals schon standen.
Mit viel Geduld und Feingefühl
Eigentlich arrangiert Christian Meier Musikstücke oder spielt selbst als ausgebildeter Trompeter in Orchestern. Der gelernte Vermessungszeichner hatte mit 13 Jahren seine erste Vorliebe für den Modellbau entdeckt. Das dreidimensionale Nachbilden von Objekten beschäftigte den Berufsmusiker immer wieder in seiner Freizeit. «Der gestalterische Freiraum ist das eine, etwas dreidimensional gestalten zu können das andere. Bei Modellen wird alles so greifbar», erklärt der Küsnachter, was ihn am Modellbau so fasziniert. Die Grösse seines Modells ist mit einer Länge von 135 und einer Breite von 80 Zentimetern beachtlich. In diesem Ausmass hat er noch nie etwas umgesetzt. Meier war deswegen auf Hilfe angewiesen. Mit dem Know-how von Jeannine Stricker und Freizeitanlagenleiter Felix Peter benutzte Meier unter anderem Kunststoffe, die normalerweise im Architekturmodellbau verwendet werden. Der Grundkörper besteht aus Styropor, auf dem die Landschaft anhand der reliefartig aufgeschichteten Korkplatten entsteht. Die Häuser bestehen aus einem speziellen Kunststoff, den Meier leicht zuschneiden konnte. Deren Fenster hat er mit Bleistift eingezeichnet, wobei die Häuserblöcke so klein waren, dass er sie mit einer Pinzette halten musste.
Noch filigraner war das Einfügen der Rebstöcke. Anstatt diese auf die Grünfläche zu malen, hat Meier für jeden Rebstock ein Stück Wickeldraht abgeknipst und auf die Korkplatte befestigt. Besonders ist auch die Nachbildung des Zürichsees. Sein Höhenprofil ist aufgrund des mehrschichtigen Aufbaus des Modells erkennbar. Eine drüber liegende Plexiglasschicht sorgt für einen Glanzeffekt, der das Modell noch dreidimensionaler wirken lässt.
Drei Jahre hat es gedauert, bis das 350. und damit das letzte Gebäude platziert werden konnte. «Teilweise war es auch frustrierend, beim Einsetzen der vielen Rebstöcke kein Ende zu sehen», erzählt der Küsnachter über die Tücken, die sich ergaben und fügt an: «Umso schöner war es, markante Gebäude, wie die reformierte Kirche, erkennbar nachbilden zu können.»
Der Terlinden-Kamin stand bereits
Ein alter Schweizer topografischer Atlas vom Jahr 1880, auch bekannt als Siegfriedkarte, diente als Grundlage für seine Nachbildung. Viele Details konnte er dieser entnehmen. So stimmen sowohl die Topografie als auch die die Anordnung der Gebäude. Abbildungen von alten Postkarten, die Meier vom Ortsmuseum zur Verfügung gestellt bekommen hat, und ein Interview mit dem Dorfhistoriker Alfred Egli gaben Meier eine Idee davon, wie die Gebäude ausgesehen haben. Trotzdem musste der 49-Jährige das Aussehen der Gebäude teilweise zusammenreimen. Dank dem Modell gewinnt man bei genauem Hinsehen einen guten Eindruck vom postindustriellen Küsnacht. Ironischerweise führte 1880 kein Zug in das am Seeufer liegende Dorf. Erst 1894 haben Zuggleise Küsnacht mit der Stadt Zürich verbunden. Ein Hauch von Industrialisierung wird anhand des damals schon stehenden Terlinden-Kamins signalisiert.
Das Modell wird bis zum 7. Februar im Eingangsbereich des Gemeindehauses stehen und lockt vielleicht den einen oder anderen Besucher an. Eine Küsnachter Primarklasse wird in einer Exkursion dem Modell einen Besuch abstatten und diese zur Veranschaulichung des Geschichtsunterrichts nutzen. Künftig soll das Modell auch an anderen Standorten ausgestellt werden. Der nächste Stopp ist im September. Meier wird sein Modell dann an der Kulturnacht präsentieren können. (Dennis Baumann)