Abo bestellen

Chris de Burgh: Sie haben den Star nach Küsnacht gebracht

Erstellt von Daniel J. Schüz |
Zurück

Das Benefizkonzert des Weltstars Chris de Burgh hat viele Mütter und Väter. Unter ihnen ein Pfarrer, eine Sängerin, ein Dirigent, eine Schönheitskönigin – und eine namenlose Frau in den Trümmern von Kiew.

Imagine there is no heaven ... stell dir vor, es gäbe keinen Himmel ... und stell dir vor, einer der grossen Weltstars der Gegenwart käme nach Küsnacht und sänge in der ­reformierten Kirche das wichtigste Lied eines der grossen Weltstars der Vergangenheit ...

Was noch bis vor wenigen Tagen niemand für möglich gehalten hätte, wird am übernächsten Sonntag, 27. März, zum musikalischen Highlight der jüngeren Küsnachter Geschichte. Dann wird der irische Mega-Star Chris de Burgh – neben Klassikern wie The Simple Truth, Borderline oder Amazing Grace – auch John Lennons legendäre Friedenshymne singen. Hinter ihm und rund um ihn herum wird aus hundert Kehlen der Chor einstimmen. Sechshundert Menschen aus nah und fern werden das Kirchenschiff füllen, ergriffen nicht nur von Lennons Song und de Burghs Stimme. Auch Pfarrer Andrea Marco Bianca, der als Gastgeber und Moderator durch den Benefizevent führt, wird die Menschen nachdenklich stimmen, wenn er versucht, das Unfassbare in Worte zu fassen: «Angesichts des entsetzlichen Leids, das der russische Despot über das ukrainische Volk bringt, bleibt als leise Hoffnung die Kraft unseres verzweifelten Glaubens an den Frieden, der uns mit diesem Volk vereint und Mut macht, die Freiheit zu verteidigen.»

Musik gegen Gewalt

In der Woche zuvor hat ihn die Sensation in der sizilianischen Metropole Palermo erreicht: Bianca sass in einem Musiklokal und dachte über den Krieg nach und über die Frage, was die Musik dieser Gewalt entgegensetzen kann, als auf seinem Smartphone die Nachricht seines Organisten Christer Løvold eintraf: «Entschuldige, wenn ich dich in deinen Ferien störe», meldete sich der Norweger zu Wort, der nicht nur in die Tastatur der Kirchenorgel greift; er leitet auch den Kirchenchor und dirigiert die Swiss Gospel Singers. «Aber es ist Eile geboten: Chris de Burgh wird in unserer Kirche ein Benefiz-Konzert geben!»

Wie Pfarrer Bianca ist auch die blonde Dame in der Tenor-Gruppe ein grosser, vielleicht sogar der grösste Chris-de-Burgh-Fan. «Vor 38 Jahren – ich war 27 und hatte gerade mein Germanistik-Studium abgeschlossen – schleppte mich eine Freundin an ein Chris-de-Burgh-Konzert», erinnert sich Petra Keim an ihre erste Begegnung mit dem irischen Star. «Vom ersten Moment an war ich hin und weg, schockverliebt – so nennt man das wohl – in die wunderbare Stimme und in die starke Ausstrahlung dieses Künstlers.»

Vor neun Jahren fasste sie sich, als Chris de Burgh im Luzerner KKL auftrat, ein Herz, stieg auf die Bühne und drückte ihrem Idol eine rote Rose in die Hand – eine Geste, die sie bei jedem Auftritt, dem sie beiwohnen konnte, wiederholte. Seit es Facebook gibt, folgt Petra Keim ihrem Star auch medial; zu seinem Geburtstag am 15. Oktober lässt sie ihm jeweils eine Kiste Aigle Les Murailles zukommen, an Ostern reist ein Schweizer Goldhase Irland, «weil Chris so gerne einen guten Wein und Schweizer Schokolade geniesst.» Eines Abends, als sie ihn nach einem Konzert wieder einmal mit Rosen bedachte, schenkte er ihr ein Lächeln und sagte: «Nice to see you, Petra!»

Eine Freundschaft entstand

«Da hatte ich es geschafft», erinnert sich Petra Keim. «Er war auf mich aufmerksam geworden, kannte meinen Namen. Ich durfte ihn gelegentlich sogar zum Essen begleiten; daraus ist eine lockere, respektvolle Freundschaft entstanden.»

Das entscheidende Momentum fand vor vier Jahren statt – zu einer Zeit, als es die Swiss Gospel Singers noch gar nicht gab, und an einem Ort, der die Augen jedes Musikfreundes zum Glänzen bringt: Die Carnegie Hall in New York gilt vielen als das Mekka der Musikwelt. Christer Løvold war angefragt worden, an Pfingsten 2019 mit hundert Gospel-Sängern und Sängerinnen im berühmten Konzertsaal aufzutreten. Mit drei Chören flog er über den Atlantik, mit einem grossen Gospelchor kehrte er zurück – es war die Geburtsstunde der Swiss Gospel Singers.

Am Rande einer Probe für jenen Auftritt nahm Petra Keim ihren Dirigenten zur Seite. «Christer», sagte sie, «ich habe ein Mail an Chris de Burgh geschickt und ihm gesagt, dass wir in der Carnegie Hall singen.» – «Du kennst den?» Løvold, der die Musikerlaufbahn in seiner Heimatstadt Oslo zunächst am Piano gestartet hatte, spielte die Songs des Iren rauf und runter. «Ja, klar. Da hätte ich ihm etwas voraus, hat er gesagt. In der Carnegie Hall habe selbst er noch nie gesungen!»

Als Løvold vor zwei Jahren in Küsnacht «Amazing Grace» aufnahm, die erste CD seines Chors, schickte Petra den Tonträger an de Burgh, «und er war so angetan», freut sich der Chorleiter, «dass er spontan den Wunsch äusserte, mit uns zu musizieren.»

Und dann, nach der langen, pandemiebedingten Zwangspause, konnte die CD endlich aus der Taufe gehoben werden; Taufpate und Leadsänger beim Konzert im Stadtcasino Basel am 28. November 2021 war kein geringerer als Chris de Burgh. Das blieb auch den Showredaktoren beim Schweizer Fernsehen nicht verborgen – und so kam es nur vier Wochen nach der Premiere zum ersten TV-Auftritt: Løvold arrangierte ein Weihnachtsmedley, gesungen von Chris de Burgh, begleitet von den Swiss Gospel Singers und ausgestrahlt am 18. Dezember 2021 in der TV-Show «Happy Day».

Die glücklichen Tage fanden drei Monate später ein jähes, blutiges Ende: Mit Brachialgewalt überfielen russische Truppen das «Bruderland»; seit drei Wochen fegt ein Feuersturm über die Ukraine, der ganze Städte in Schutt und Asche legt und Millionen von Frauen und Kindern in die Flucht schlägt. Christer Løvold registrierte die täglichen Horrormeldungen mit wachsendem Entsetzen und gelangte bald zur Erkenntnis: «Da kann man nicht zuschauen, da muss man doch etwas tun!» Er besprach sich mit Petra Keim – und rasch war klar: «Wir veranstalten ein Benefizkonzert!» – «Und wir fragen Chris de Burgh an, ob er mitmachen will.» – «Du kennst ihn besser, ruf du ihn an!» – «Nein, das musst du machen, du bist der Dirigent!» Es dauerte keine halbe Stunde bis die Antwort kam: «Gute Idee», fand Chris de Burgh, «ich mach mit.»

So kam es, dass ein Pfarrer, ein Dirigent und eine Sängerin dazu beigetragen haben, dass Chris de Burgh in der reformierten Kirche Küsnacht für die Kriegsopfer in der Ukraine singt. Allerdings sind diese drei nicht die einzigen Initianten des Anlasses. Es gibt zwei Frauen, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass das Wunder wahr werden konnte.

De Burgh’s eigene Geschichte

Die eine heisst Rosanna Davison, sie wird in wenigen Tagen 38 Jahre alt, ist mit 18 Jahren zur Miss Ireland und noch im selben Jahr auch zur Miss World erkoren worden. Sie ist die Tochter von Chris de Burgh. Rosanna Davison leidet, wie ihre Ärzte es formulieren, unter einem «überaktiven Immunsystem» – mit tragischen Konsequenzen: 15-mal ist Rosanna schwanger geworden, 15-mal hat sie ihre Babys verloren.  Und dann klappte es doch noch: Vor zweieinhalb Jahren kam Sofia zur Welt, ihr erstes Baby, gesund und munter. Unterdessen ist sie erneut schwanger ­geworden und hat Zwillingen das Leben geschenkt. Ihr Buch «When dreams come true» ist ein grosser Dank an die Frau, die Sofia geboren hat.

Das ist die andere Frau, die namenlos bleiben muss. Sie hat sich ein befruchtetes Ei von Rosanna Davison in der Gebärmutter einpflanzen lassen, hat das Kind ausgetragen und zur Welt gebracht. Heute lebt sie irgendwo zwischen den Trümmern von Kiew und ist jeden Tag damit beschäftigt, am Leben zu bleiben.

«Rosanna steht mit ihr in Kontakt», weiss Petra Keim. «Vor wenigen Tagen hat sie ausrichten lassen, dass sie lebe und es ihr den Umständen entsprechend gut gehe.» Von allen, die dazu beigetragen haben, dass Chris de Burgh in Küsnacht seine Stimme für die Opfer des Krieges erhebt, ist die Leihmutter, die den Sänger zum Grossvater gemacht hat, die Wichtigste; denn an sie wird er denken, wenn er singt:

You may say I’m a dreamer / Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer,

But I’m not the only one/  aber ich bin nicht der Einzige.

I hope someday you’ll join us / Ich hoffe, eines Tages wirst auch du einer von uns sein,

And the world will live as one / und die ganze Welt wird eins sein.


Melden Sie sich an

Das Benefizkonzert mit Chris de Burgh und den Swiss Gospel Singers findet am 27. März um 18 Uhr in der reformierten Kirche Küsnacht statt. Es wird kein Eintritt erhoben, dafür eine freiwillige Kollekte erwartet. Die Summe der Spenden wird an die «Optimus»-Foundation überwiesen, von der UBS verdoppelt und an Organisationen weitergeleitet, die den Opfern des Krieges vor Ort helfen. Bei grossem Andrang wird das Konzert noch am selben Abend wiederholt. Wichtig: Eine Anmeldung unter www.rkk.ch ist erforderlich; der Ausdruck des Bestätigungsmails berechtigt zum Eintritt.