Sozialdiakonin Christine Wolff hat mit Pfarrer Andrea Marco Bianca von der reformierten Kirche ein neues Projekt in Küsnacht ins Leben gerufen. Beim 65+Treff sollen Gemeindemitglieder ein unverbindliches Beisammensein geniessen und so neue Kontakte knüpfen.
Christine Wolff, wie kam Ihnen und Pfarrer Andrea Marco Bianca die Idee zum 65+Treff?
Christine Wolff: Da wir immer wieder von verschiedenen Stimmen aus der Bevölkerung gehört haben, dass Bedarf an sozialem Austausch im Alter da ist, haben wir eine briefliche Umfrage bei 600 reformierten Küsnachtern und Küsnachterinnen über 65 Jahre durchgeführt.
Wie war das Feedback auf die Umfrage?
Wir haben erstaunlich viele Rückmeldungen erhalten. Es kam heraus, dass eine grosse Mehrheit der Gemeindemitglieder ein Bedürfnis nach unverbindlichen geselligen Treffen hat. Aus diesem Wunsch heraus ist dann das Projekt «65+Treff» entstanden.
Was ist das Ziel bei diesen Treffen?
Beim ersten Mal werden wir uns am 13. Juli ins Kafi Karl in Küsnacht begeben. Das Treffen kann man ohne Anmeldung besuchen, und das Ziel ist, dass sich ältere Menschen kennen lernen und über ihre Bedürfnisse austauschen können. Andrea Bianca und ich werden da sein. Es soll ein geselliges und lockeres Beisammensein werden. Auf klassische Vorstellungsrunden verzichten wir, damit sich alle frei und wohl fühlen.
Wird man etwas essen, jassen oder im Kreis sitzen?
Im Kreis wird man nicht sitzen. Es sollen möglichst Leute zusammensitzen, die sich noch nicht kennen, und wir werden Gruppen, die sich kennen, eher auflösen, sodass sich neue Leute kennen lernen. Wir offerieren an dem Abend und beim ersten Treffen einen kleinen Apéro.
Wie geht es nach dem ersten Treff weiter?
Idealerweise würden die Teilnehmenden die Treffen in Zukunft vielleicht sogar selbst organisieren. Der genaue Rahmen sowie die zukünftigen Veranstaltungsorte sind bewusst noch offengehalten. Eine Möglichkeit wären auch kirchliche Räume, beispielsweise das im Oktober dann frisch renovierte Jürgehuus. Das wäre ein idealer Treffpunkt. Wichtig ist uns, eine Plattform zu bieten, wo man auch im höheren Alter neue Kontakte knüpfen kann, aber auch, dass man dafür eine gewisse Eigenverantwortung hat.
Warum soll man sich im Alter überhaupt noch mal verbinden?
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass ältere Menschen, die ein gutes soziales Umfeld haben, gesünder und glücklicher sind.
Im Alter gibt es auch viele alleinstehende Personen. Ist die gezielte Partnersuche auch ein Thema beim 65+Treff?
Ja, durchaus. In erster Linie geht es jedoch um einen unverbindlichen Austausch und nicht direkt um Partnersuche. Sollte sich jedoch etwas über eine kollegialen oder eine freundschaftliche Ebene hinaus ergeben, wäre dies natürlich auch erfreulich.
Viele ältere Menschen sind heute noch eingebunden und aktiv. Wie oft ist der Treff denn geplant?
Gewünscht war laut unserer Umfrage relativ einstimmig die Frequenz von einem Treffen pro Monat. So hat man eine gewisse Regelmässigkeit, ist aber trotzdem nicht zu stark eingebunden. Es wird sich zeigen, was den Teilnehmenden entspricht. Vorstellbar ist auch, dass sich Einzelne untereinander öfters treffen. Wir sind sehr gespannt, wie sich das Projekt weiterentwickelt.
Haben übrigens mehr Frauen oder mehr Männer bei der Umfrage mitgemacht?
Es waren mit 75 Prozent deutlich mehr Frauen, die geantwortet haben. Männer machten den Anteil von 13 Prozent aus. Der Rest hat keine Angaben gemacht.
Ist das typisch?
Ja, absolut. Erstens leben Frauen länger, das ist der eine Punkt. Aber das gleicht sich heutzutage ja aus. Das andere Phänomen ist, dass mehr Frauen ältere Männer heiraten. Die Männer sind dann betreut, bis sie sterben, und die Frau bleibt übrig. Was dazu führt, dass die Frauen sehr viel mehr Mühe haben, einen neuen Partner zu finden. Oder sonst einen 20 Jahre älteren Mann.
Erwartet Ihr am Abend im Kafi Karl also auch mehr Frauen?
Wir werden sehen.
Was macht Ihr für eine bessere Verteilung?
Ich glaube, wir können nicht viel dafür tun, solange die Strukturen so sind. Der demografische Wandel – dass auch Frauen früher sterben, weil sie inzwischen Stress im Job haben – zeigt sich bereits. Das andere ist die Denkart, man kann es auch Emanzipation nennen, die sich verändern muss.
Was kann die Kirche in Küsnacht für eine gleichgestelltere Gesellschaft tun?
Frauen besonders aus früheren Generationen definierten sich oft über ihren Mann. Daher ist es wichtig, diesen Frauen auch zu sagen, dass sie ohne Partner stark sind und mit Frauen etwas unternehmen können. Gleichzeitig ist es etwas anderes, mit einem Mann etwas zu unternehmen. Viele ältere Frauen sagen mir, dass sie keinen Sex oder Partner suchen, aber einfach Unternehmungen machen wollen mit einem Mann.
Und der Radius wird kleiner.
Ganz genau – je älter man wird, desto kleiner wird der Kreis, desto weniger geht man ins Ausland, desto mehr Leute sterben. Man muss sich auf seinen Wohnort zurückziehen. Deshalb dieser Treff. Wir von der reformierten Kirche werden in diesem Ansinnen auch von der Alters- und Gesundheitskommission der Gemeinde unterstützt.
Dann organisiert die Gemeinde mit?
Noch nicht, aber ideal wäre es, abwechseln mit der Gemeinde als Koordinator aufzutreten. Das Treffen soll ja auch nicht zu sehr mit der Religion zu tun haben. Sondern es sollen sich einfach alle Küsnachterinnen und Küsnachter treffen können.
Ist die katholische Kirche mit im Boot?
Bis jetzt noch nicht, aber auch diese Zusammenarbeit wäre wünschenswert und denkbar.
Wie breit war übrigens das Altersspektrum der Teilnehmenden bei der Umfrage?
45 Prozent waren 81 plus alt, 32 Prozent zwischen 73 und 80. Und 17 Prozent 65 bis 72. 6 Prozent konnten wir nicht bestimmen. Einige der 81-plus-Alten schrieben, dass sie die Idee super fänden, sie aber aus gesundheitlichen Grünen nicht mehr teilnehmen können.
Das erste Treffen wird am Donnerstag, 13. Juli, um 17 Uhr im Kafi Karl stattfinden. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Das Angebot ist konfessionell offen.