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Den Orang-Utans auf der Spur

Erstellt von Beatrice Gerwig, Sekundarschule Küsnacht |
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Julia Kunz (30) berichtete den Küsnachter Sekundarschülern von ihren Forschungserlebnissen aus Sumatra und Borneo. Dort leben die letzten wilden Orang-Utan-Populationen. Für die junge Wissenschaftlerin ist die Arbeit im Urwald «Himmel und Hölle» zugleich.

Die Liebe zur Natur und Neugier führten die 30-jährige Eggerin in die Sumpfwälder Indonesiens. Seit sieben Jahren erforscht Julia Kunz mit einem internationalen Team die letzten wilden Orang-Utan-Populationen auf Sumatra und Borneo.
Die Biologin ist fasziniert von den Menschenaffen, die wie Gorillas und Schimpansen zu unsern nächsten Verwandten gehören. Ihre DNA ist zu 97 Prozent identisch mit dem menschlichen Erbgut. Unsere ­gemeinsamen Vorfahren lebten vor 14 bis 16 Millionen Jahren. «Es ist sehr spannend, Orang-Utans in ihrem natürlichen Umfeld zu erleben und ihr Verhalten zu studieren», sagt Kunz.

Intelligent und lernfähig

In ihrer Masterarbeit untersuchte die Biologin das Spielverhalten von kleinen Affen im Freiland. «Sie sind intelligent und lernfähig, lernen etwa durch Beobachten Zweige zu schälen und damit Honig aus einem Astloch zu grübeln.»
«Unsere Arbeit im Urwald ist Himmel und Hölle», bilanziert Julia Kunz. Während zweier Jahre lebte sie weit weg von zu Hause. Tag für Tag mit den gleichen Leuten, Leben auf engem Raum, grosse kulturelle Unterschiede. Das Revier der roten Menschenaffen ist für die Forscher sehr unwirtlich. «Manchmal stolpert man tagelang durch den Sumpf, ehe man einen Orang-Utan erspäht.»


Während dieser «Suchtage» hofft das Team stets, die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu finden. Es ist darauf angewiesen, dass ein unsichtbares Tier in seinem Nest in der Baumkrone Geräusche macht und Ausschau hält nach Essensresten oder Kot am Boden. Menschenaffen haben grossen Appetit. Zwei Drittel ihres Futters besteht aus Früchten, Blättern und Erde.


Die Forscher klettern auch selber auf riesige Bäume und suchen nach Haaren und anderen Hinterlassenschaften. Deren Analyse gibt Aufschluss über die gesundheitliche Verfassung der Tiere. Orang-Utans bauen jeden Tag ein neues Nest, was für die Wissenschafter jeweils wieder einen Suchtag bedeutet. Sie stehen vor fünf Uhr auf und strengen sich an, den weiterwandernden Tieren auf den Fersen zu bleiben, bevor sie wieder im Dickicht verschwinden. «Man notiert alles, was sie machen, jede Beobachtung mit genauem Ort, mit Daten, Fotos, Videos. Dann gilt es, Hypothesen zu generieren und wissenschaftlich zu kommunizieren.»

Vom Aussterben bedroht

Die Orang-Utans drohen auszusterben. Der Lebensraum wird immer kleiner. Die Ausbreitung der Landwirtschaft, Rodungen, Waldbrände fügen dem Wald schweren Schaden zu. Das Futterangebot wird immer kleiner. Auf Borneo leben noch rund 50 000, auf Sumatra 7000 Tiere. Menschenaffen vermehren sich nur langsam. Die Weibchen bringen mit zirka 15 Jahren ihr erstes Baby zur Welt und kümmern sich etwa acht Jahre darum. Das internationale Forscherteam, dem Julia Kunz angehört, will verstehen, wie die Orang-Utans – zu Deutsch: Waldmenschen – leben, wie viel Platz sie brauchen, wie man sie schützen kann. Das Publikum – Sekundarschüler, die das Referat in ihrer Freizeit besucht hatten – quittierte diesen Einblick in eine fremde, faszinierende Welt mit herzlichem Applaus.