Abo bestellen

«Ein kleineres Gremium ist effizienter»

Erstellt von Manuela Moser und Pascal Turin |
Zurück

Der «Küsnachter» hat sich über die Abstimmung zur Verkleinerung der Behörde von neun auf sieben Mitglieder mit Gemeindepräsident Markus Ernst unterhalten. Am Gespräch haben zwei weitere Gemeinderäte – Susanna Schubiger (GLP) und Ueli Schlumpf (SVP) – teilgenommen.

Warum sitzen wir heute genau in dieser Konstellation zusammen, um über die Reduktion des Gemeinderats von neun auf sieben Personen zu diskutieren?

Ueli Schlumpf: Natürlich könnte Markus Ernst kompetent alleine Auskunft geben (schmunzelnd). Wir sind hier, weil wir unterschiedliche Parteien vertreten.

Susanna Schubiger, Ihre Partei, die GLP, will am Neunergremium festhalten. Werden kleine Parteien durch die Reduktion auf sieben benachteiligt?

Susanna Schubiger: Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwierig, diese Frage zu beantworten. Es ist noch völlig unklar, welche Kandidaten zur Verfügung stehen, welche ­Vakanzen es überhaupt geben wird. Da kann man natürlich in alle Richtungen Hochrechnungen machen.

Ueli Schlumpf, die SVP hat sich ebenfalls negativ geäussert.

Schlumpf: Ja, die SVP ist dagegen. Das ist erstaunlich, weil sie überall sonst schlankere Strukturen fordert. Bis jetzt hat aber nur der Vorstand entschieden. Ob die Mitglieder dagegen sind, ist noch offen.

Markus Ernst, nur FDP und CVP sind für sieben statt neun Gemeinderäte. Warum?

Markus Ernst: Es kam nicht überraschend. Der Gemeinderat hat die Situation vorwiegend aus einer betrieblichen, organisatorischen Sicht beurteilt. Wir sagen, es wäre effizienter und besser für die strategischen Aufgaben des Gemeinderats sowie die Organisationsstruktur der Verwaltung. Die politischen Parteien schauen es von einem politischen Standpunkt aus an. Ich bin aber überzeugt, dass es die Aufgabe des Gemeinderats ist, solche Fragen in erster Linie aus gesamtbetrieblicher Sicht zu beurteilen und nicht aus politischer Sicht.

Kritiker sagen, die jetzige Meinungsvielfalt sei das Beste für Küsnacht und werde durch die Änderung bedroht.

Schubiger: Ja, dieser Meinung bin ich grundsätzlich auch. Es wird sicher schwieriger sein in Zukunft. Es braucht sehr gute Kandidaten. Die Latte wird etwas höher gelegt, um jemanden in den Gemeinderat zu bringen.

Finden Sie die Sorgen der kleinen Parteien berechtigt?

Schubiger: Es ist sicher schwieriger, das sieht jeder ein. Ich finde es auch schön, wenn es verschiedenste Nuancen, Farben in so einem Gremium gibt.

War der Entschluss des Gemeinderats also nicht einstimmig?

Ernst: Der Gemeinderat ist eine Kollegialbehörde und kommuniziert deshalb interne Meinungsfindungsprozesse nicht. Es ist aber nicht so, dass der Gemeinderat sagt, der Vorschlag habe nur Vorteile. Dass man mit neun oder elf Leuten mehr Meinungen abbilden kann als mit sieben, ist uns schon klar. Doch das für uns stärkere Argument bei dieser Vorlage ist letztendlich die Organisation, die Führungsfähigkeit der Gemeinde als Gesamtes.

Besteht die Gefahr, dass der Gemeinderat ein Einheitsbrei von FDP und SVP wird?

Ernst: Der Gemeinderat beweist, dass wir kein Einheitsbrei sind. Schon jetzt gibt es eine gewisse «Dominanz». Aber in einem Dorf wie Küsnacht zeigen wir tagtäglich durch die Art und Weise, wie wir diese Gemeinde politisch führen, dass der Gemeinderat für alle Bürgerinnen und Bürger da ist. Aber natürlich gibt es solche, die mit ihrer politischen Haltung keine Mehrheit finden. Weder im Gemeinderat noch an der Gemeindeversammlung oder an der Urne. Das ist die politische Realität. Küsnacht ist eigentlich schon immer eine bürgerliche Gemeinde gewesen. Sie ist es jetzt mit neun Gemeinderäten und mutmasslich auch mit sieben. Die Abbildung der Bevölkerung hängt davon ab, wer überhaupt bereit ist, an den Wahlen teilzunehmen. Letztendlich entscheidet der Wähler über die Vielfalt und nicht der Gemeinderat.

Kleine Parteien sagen aber auch, sie hätten weniger finanzielle Mittel, es sei für sie schwieriger. Herr Schlumpf, ist es für die Kleinen schwieriger als für die Grossen?

Schlumpf: Vieles geht über die Persönlichkeit. Die Partei spielt sicher eine Rolle. Aber wenn jemand, egal aus welcher Partei, im Dorf verankert ist, dann wird er ­wegen seiner Persönlichkeit oder seiner Überzeugung gewählt. Natürlich hat jeder unterschiedliche finanzielle Mittel, die einen mehr, die anderen weniger. Aber es ist nicht ausschlaggebend.

Ernst: Walter Matti ist als Parteiloser das beste Beispiel dafür.

Küsnacht findet immer genug Kandidaten für seine Ämter. Sie müssen also nicht vorbeugend etwas ändern.

Ernst: Aus Sicht der FDP kann ich sagen, wir finden Kandidaten, aber es ist nicht einfach. Wir haben keine Warteliste mit Leuten, die Gemeinderäte werden wollen. Man muss die Menschen aktiv ansprechen. Ich bin froh, haben wir eine Auswahl. Aber auch die FDP muss suchen. Aber vielleicht ist das bei anderen Parteien anders.

Schlumpf: Bei der SVP ist es genau gleich. Wir haben nicht einfach genügend Kandidatinnen oder Kandidaten. Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten.

Schubiger: Ich denke, die GLP hat immer mehr und sehr gut qualifizierte Mitglieder. Solche, die sich für die Führung eignen würden. Trotzdem sind genau diese Leute schon überall engagiert. Im Betrieb haben sie eine Leitungsfunktion, sie haben eine Familie. Die Doppelbelastung mit einem Gemeinderatsmandat ist nicht so einfach.

Das bringt die Frage auf, ob das Milizamt durch die Änderung gestärkt oder geschwächt wird. Wenn man von neun auf sieben Gemeinderäte reduziert, gibt es dann für den Einzelnen nicht mehr ­Arbeit?

Ernst: Ich glaube nicht, dass es mehr Arbeit gibt. Jeder Gemeinderat steckt so viel Arbeit hinein, wie er bereit ist, Zeit zur Verfügung zu stellen. Am Schluss ist die Frage, wie man zwischen operativer und strategischer Arbeit unterscheidet. Die Aufgaben sind auch mit sieben Mitgliedern gut bewältigbar, wenn man die Aufteilung richtig macht und sich auf die strategischen und politischen Aufgaben konzentriert. Im Kanton Zürich haben weniger als fünf Prozent aller Städte und Gemeinden noch neun Mitglieder im Gemeinde- beziehungsweise Stadtrat. Das zeigt doch, dass eine Mehrheit der Gemeinden der Auffassung ist, dass eine Exekutive mit weniger Mitgliedern besser funktioniert.

Auf neun lässt sich die Arbeit doch besser verteilen als auf sieben?

Ernst: Nein. Sitzungen in kleinen Gremien sind erwiesenermassen effizienter und können sich besser auf strategische Fragestellungen konzentrieren. Es gibt auch weniger Schnittstellen zwischen den Ressorts. Das sind Gründe, weshalb wir sagen, aus betrieblicher Sicht sind wir effizienter mit sieben Gemeinderäten.

Wie sehen das die andern?

Schlumpf: Wir haben schon oft über eine Reduktion geredet. Es ist keine leichtfertige Entscheidung, sie muss ja fundiert sein. Es gibt diverse Möglichkeiten, welche Dossiers und Ressorts zusammengelegt werden. Es gibt Themen, da sind zwei ­Gemeinderäte in einer Kommission, wo ­eigentlich einer reichen würde. Wir haben gemerkt, dass es machbar ist. Nachbar­gemeinden zeigen, dass es mit sieben ­Gemeinderäten sehr gut funktioniert.

Schubiger: Wichtig ist, dass man sich fragt, wo man schon im operativen Bereich drin ist und sich eher wieder auf den strategischen Bereich konzentrieren sollte. Das bedingt natürlich gute Abteilungsleitungen.

Könnte es auch zu einer Aufblähung der Verwaltung kommen?

Schubiger: Nein, ich glaube nicht. Wir haben gute Leute, die Organisation mit so vielen Abteilungen könnte vielleicht noch effizienter werden. Dass wir mehr Leute einstellen, ist aber nicht vorgesehen.

Ernst: Susanna Schubiger steht als Gesundheitsvorsteherin– neben dem Schulpräsidenten – der Abteilung mit den meisten Mitarbeitenden vor.

Schubiger: Es sind 180 bis 200 Leute.

Ernst: Die Organisation kann sicher verschlankt und die Schnittstellen können reduziert werden.

Die Reduktion des Gemeinderats hängt mit einer Verwaltungsreorganisation
zusammen. Warum wird dies verknüpft?

Schubiger: Wir möchten das Ressortsystem mit einem Gemeinderat und einem Abteilungsleiter beibehalten. Die Reduktion des Gemeinderats ist nur der Impuls, der erste Schritt. Nachher soll eine Entwicklung in der Verwaltung folgen. Wie diese genau aussieht, kann man jetzt noch nicht sagen. Wir wollen jetzt nicht die Verwaltung mit irgendwelchen Plänen aufschrecken, wenn nicht mal klar ist, ob das Stimmvolk überhaupt Ja sagt.

Führt ein Ja zu einer Kündigungswelle in der Verwaltung?

Schlumpf: Nein, wir reden von Effizienzsteigerung, aber wir werden nicht weniger ­Arbeit haben.

Ernst: Nein, ich bin überzeugt, dass das nicht passieren wird. Wir werden diese Änderungen sorgfältig und zusammen mit der Verwaltung angehen.

Weil aber keine Details bekannt sind, haben einige Stimmbürger Angst, die Katze im Sack kaufen zu müssen.

Schubiger: Interessiert es den Stimmbürger, wie die Verwaltung zusammengesetzt ist? Es interessiert ihn doch nur, ob er gute Dienstleistungen erhält.

Bei einer solchen Veränderung sicher.

Ernst: Von den Stimmbürgern habe ich bis jetzt noch wenig gehört, sondern vor allem von Parteipräsidenten. Wir fangen ja erst jetzt an, die Bürger zu informieren. Von Seiten der Parteien habe ich bis jetzt eher politische Argumente gehört als sachliche.

Schlumpf: Es ist die Aufgabe des Gemeinderats, die Strukturen zu hinterfragen. Der Stimmbürger kann immer noch so oder so entscheiden.

Aus Ihrer Sicht gilt also das Argument, man kaufe die Katze im Sack, nicht?

Schlumpf: Ich kann es nicht gelten lassen.

Ernst: Der Gemeinderat ist der Meinung, dass ein kleineres Gremium effizienter ist. Aber wenn der Stimmbürger aus politischen Überlegungen uns den Auftrag gibt, die Gemeinde mit neun Leuten weiterzuführen, dann führen wir sie mit neun Leuten weiter.

In einem Unternehmen redet man gerne von Agilität. Doch beim Gemeinderat stösst das vielen sauer auf. Wieso soll man gleichen Jargon reden, der Gemeinderat soll doch Diskussionen zulassen.

Ernst: Tatsache ist, dass die Gemeinde eine Organisation hat, welche vielleicht vor 30 Jahren noch gepasst hat. Heute ist Küsnacht aber stark gewachsen, die Verwaltung ist inklusive Schule und Alters- und Gesundheitszentren ein Betrieb mit fast 800 Mitarbeitenden. Die Anforderungen an Behörden und Verwaltung sind viel komplexer als früher. Das bedingt eine Anpassung der Organisation. Zu Ihrer Frage nach den Diskussionen: Erstens kommen in einem kleineren Gremium bei gleicher Sitzungsdauer viel eher alle Teilnehmer zu Wort. Ausserdem müsste man die Gemeinderatssitzungen mal öffentlich machen.

Würde man einschlafen?

Ernst: Nein, nicht einschlafen. Aber feststellen, dass ein Grossteil der Gemeinderatsbeschlüsse trotz teilweise intensiver und kontroverser Diskussionen einstimmig gefällt wird. Und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht oder politischer Einstellung. Die Meinungsvielfalt im Gemeinderat verläuft nicht entlang von einseitigen Mustern. Wir pflegen eine Konsenskultur. Das spricht für eine Meinungsvielfalt, unabhängig von der Anzahl Leute.

Werden die Ämter spannender, wenn mehr Aufgaben hinzukommen?

Ernst: Je nach Ressort vielleicht schon. Es ist ja nicht möglich, dass alle Ressorts gleich spannend sind. Es kommt zwar auf das Interesse an, aber es gibt Ressorts mit einer viel stärkeren politischen Komponente als andere. Man kann einzelnen Ressorts so mehr politisches Gewicht geben.

Die Nachbargemeinden Küsnachts haben nur sieben Gemeinderäte. Im Schnitt ­haben Zürcher Gemeinden laut Gemeindeamt 6,3 Vertreter in der Exekutive. Hätte man noch weiter reduzieren können?

Ernst: Es wäre aus unserer Sicht nicht opportun gewesen, von neun auf fünf zu ­reduzieren. Wir sind eher eine grosse Gemeinde. Ich glaube, sieben Gemeinderäte sind eine gangbare Lösung. Küsnachter Stimmbürger sind zudem nicht bekannt dafür, radikale Lösungen zu suchen.

Die Gemeindeordnung wurde erst 2017 angepasst. Warum hat man damals die Reduktion nicht schon vorgenommen?

Ernst: Die Totalrevision kam aufgrund der Zusammenlegung von Politischer Gemeinde und Schulgemeinde sowie des neuen Gemeindegesetzes auf Kantonsstufe. Der Gemeinderat hat sich schon ­damals diese Gedanken gemacht. Solche Reorganisationen binden aber immer auch personelle Ressourcen. Zudem wollten wir die Totalrevision nicht überladen.

Markus Ernst, das Vorgehen schürt den Vorwurf, Sie möchten sich eine gute Ausgangslage für die Erneuerungswahlen nächstes Jahr schaffen.

Ernst: Ich wüsste nicht, wieso ich eher gewählt werden sollte, wenn der Gemeinderat reduziert wird. Ich fühle mich in erster Linie den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet und nicht der Partei.

Parteien kritisieren, dass zu wenig Zeit für die Meinungsbildung geboten wird.

Schlumpf: Es ist eine einfache Vorlage. Ich weiss nicht, wie viel Vorlaufzeit man dafür bräuchte. Bei einem Verkehrsrichtplan wäre es etwas anderes.

Ernst: Die Vorlage ist nicht kompliziert. Man kann dafür oder dagegen sein.

Anfang April ging ein Schreiben an die Bevölkerung mit Informationen zu Corona, aber auch einem Hinweis zu den Abstimmungen vom 13. Juni. Kritiker monieren, Sie hätten darin Werbung für die Neuorganisation gemacht. War das Propaganda?

Ernst: Wie meinen Sie Propaganda? Im Sinne davon, dass der Gemeinderat keine Vorlagen erarbeiten und dann eine Meinung dazu haben darf?

Nein, es geht um den Kontext. Es war nicht im Weisungsbüchlein, sondern in einem Informationsschreiben.

Ernst: In diesem Schreiben werben wir nicht für ein Ja, sondern rufen die Küsnachter auf, sich eine Meinung zu bilden und abzustimmen. Abgesehen davon tut der Gemeinderat seine Meinung selbstverständlich aktiv kund. Wir dürfen ja auch dem «Küsnachter» Interviews geben. Das haben wir immer schon so gemacht. Es gab noch keine Vorlage des Gemeinderats, bei der er nicht auf den verschiedensten Kanälen seine Haltung gegenüber den Stimmbürgern vertreten hat.

Was ist das schlagende Argument, das aus Ihrer Sicht für eine Reduktion spricht?

Schubiger: Sie führt insgesamt zu einer effizienteren Organisation und zu mehr operativen Kompetenzen für die Verwaltung.

Schlumpf: Es ist eigentlich alles gesagt. Schliesslich können die Bürger jetzt entscheiden, ob sie es richtig finden, dass der Gemeinderat die Organisation überdacht hat und zum Schluss gekommen ist, dass man mit sieben Leuten eine effizientere, schlankere Struktur erhält.

Ernst: Es ist eine zeitgemässe Organisa­tionsform, die der Gemeinderat über parteipolitische Überlegungen stellt.