Der Küsnachter Gemeindepräsident Markus Ernst hat sich dafür eingesetzt, dass der Kanton Zürich im Bezirk Meilen ein Impfzentrum einrichtet. Und er schildert zum ersten Mal öffentlich, wie er seine eigene Covid-19-Infektion in der Isolation erlebt hat.
Markus Ernst, einen Monat nach der Zulassung des Impfstoffes gab der Kanton die Einrichtung seiner Impfzentren bekannt – eines davon im Bezirk Meilen. Warum hat das so lange gedauert?
Vorerst sind nur die Risikogruppen zur Impfung zugelassen, in erster Priorität die über 75-Jährigen und Menschen mit Vorerkrankungen. Ausserdem steht der Impfstoff vorerst nur in begrenzter Menge zur Verfügung. Solange nur mit diesen Einschränkungen geimpft werden kann, reichen die Kapazitäten der Hausärzte und des Referenzzentrums in Zürich aus. Daran wird sich bis zum April kaum etwas ändern. Und bis dahin wird das Impfzentrum in Meilen betriebsbereit sein.
Küsnacht und Meilen sind in Bezug auf Einwohnerzahl und Gemeindefläche ebenbürtig. Hätten Sie das Impfzentrum nicht lieber in Ihrer Gemeinde gehabt?
Es geht um eine gute Lösung für den ganzen Bezirk, entsprechend sind die Verantwortlichkeiten verteilt: Das Spital Männedorf trägt die operative Verantwortung. Meilen stellt als Bezirkshauptort die Räumlichkeiten zur Verfügung, und die ärztliche Leitung liegt bei einem Pionier auf dem Gebiet der Reisemedizin: Professor Robert Steffen aus Küsnacht. Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, den Kanton von seiner Absicht abzubringen: Ursprünglich waren wir einer grossen Region Winterthur-See-Oberland zugeteilt, das Spital Winterthur für uns vorgesehen.
Dann hätten die Küsnachter zur Impfung nach Winterthur reisen müssen?
Nicht nur die Küsnachter. Winterthur hätte mit den Bezirken Meilen, Uster, Päffikon und Hinwil ein Zentrum gebildet, wäre für den ganzen Bezirk zuständig geworden. Die Impfzentren wurden aus wirtschaftlichen Überlegungen geplant, die Bürgernähe hat dabei eine kleine Rolle gespielt. Wenn gegen 50 000 Menschen aus dem Bezirk zweimal nach Winterthur reisen müssen, um sich impfen zu lassen, würde der logistische Aufwand unzumutbar werden und vermutlich die Impfquote gesenkt.
Die Mitglieder des Bundesrats haben sich heimlich impfen lassen, andere Prominente lassen sich öffentlich stechen. Wie halten Sie es als Gemeindepräsident mit dem Impfen?
Selbstverständlich werde auch ich mich impfen lassen.
Sie sind noch nicht geimpft?
Ich gehöre zu keiner Risikogruppe. Aber auch sonst besteht bei mir keine Dringlichkeit.
Wie meinen Sie das?
Ich habe es nie aktiv kommuniziert, mach aber auch kein Geheimnis daraus: Ich war an Covid-19 erkrankt und hatte zehn Tage mit leichten Symptomen in der Isolation verbracht. Deshalb habe ich noch Antikörper, die mich vor einer erneuten Ansteckung schützen sollten.
Wer hat sich in dieser Zeit um Sie gekümmert? Haben Sie von der bewährten Küsnachter Nachbarschaftshilfe profitieren können?
Ich kann mich auf einen guten Freundeskreis verlassen. Die Versorgung war kein Problem.
Wie hat die Erfahrung, dass Sie eine so gefährliche Krankheit überlebt haben, Ihre Einstellung zum Leben und Ihre politische Haltung zur Pandemie beeinflusst?
Ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass das Impfen der einzige vernünftige Weg ist, der aus dieser Krise hinausführt. Weiter habe ich – offensichtlich erfolglos – versucht, mich mit dem Einhalten der Schutzmassnahmen vor der Ansteckung zu schützen. Meine Einstellung hat sich nicht verändert, da bin ich nicht zuletzt auch Fatalist. Im Übrigen müssen wir uns an die Vorgaben halten, und ich fände es falsch, wenn sich mein politisches Handeln aufgrund einer persönlichen Betroffenheit ändert.
Wie und wo haben Sie sich infiziert?
Ganz ehrlich: Kein blasser Schimmer! Ich hatte immer geglaubt, dass ich alle Massnahmen eingehalten habe. Aber offenbar nicht konsequent genug. Am Morgen, als der Weihnachtsmarkt eröffnet wurde, bin ich noch zehn Kilometer gejoggt. Und dann hielt ich das positive Testresultat in der Hand – und habe so als erste Konsequenz den Weihnachtsmarkt verpasst.
Küsnacht war im Advent die einzige Seegemeinde, die einen bescheidenen Weihnachtsmarkt möglich gemacht hat. Waren Sie zu unvorsichtig?
Ich glaube nicht. Wir haben im Krisenstab stets die Haltung eingenommen, dass wir bei einschränkenden Massnahmen nicht weiter gehen wollen, als wir müssen. Als die Stadt Zürich beim ersten Lockdown die ganzen Uferanlagen absperrte, liessen wir unsere Seeanlage offen, damit die Menschen genug Platz haben, um die Abstände einzuhalten. Das gilt auch für kulturelle Veranstaltungen: Wir lassen zu, was möglich ist – und wo es nicht möglich ist, weichen wir ins Netz aus und gestalten beispielsweise unsere Konzerte als Livestream.
Das Virus spaltet die Gesellschaft – nicht nur in Gesunde und Erkrankte, in sorglose Junge und bedrohte Alte. Neben denjenigen, die alles zu verlieren drohen, gibt es andere, die sich eine goldene Nase verdienen. Sollten die Profiteure nicht zugunsten der Verlierer zur Kasse gebeten werden?
Unser System besteuert Firmengewinne schon heute beträchtlich. Und wenn eine Firma wegen Corona keinen Gewinn erzielen kann, ist auch die steuerliche Belastung sehr gering. Eine «Corona-Strafsteuer» halte ich für falsch.
Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die teuren FFP2-Masken verbindlich vorgeschrieben werden. Könnte die reiche Gemeinde Küsnacht da nicht mit gutem Beispiel vorangehen und Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, diese Masken gratis anbieten?
FFP2-Masken sollen denjenigen zur Verfügung stehen, die darauf angewiesen sind. Das ist für mich eine Frage der Notwendigkeit, nicht der finanziellen Möglichkeit. Im Übrigen erhalten unsere Sozialhilfebezüger bereits heute eine Entschädigung für die Masken.
Wie nachhaltig wird diese globale Krise die Welt verändern?
Vielleicht wird am Anfang weniger gereist, gependelt und mehr gestreamt und online konferiert werden, weil sich das bewährt hat. Ansonsten wird sich mit der Zeit vieles wieder einpendeln. Einschneidende Ereignisse haben eine Halbwertszeit, die mich immer wieder überrascht.
Wann wird man sich zur Begrüssung wieder die Hände reichen und sich freundschaftlich umarmen können?
Das geschieht noch in diesem Jahr – das hoffe ich ganz fest. Und darauf freue ich mich heute schon!