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«Es ist toll, seine eigene Chefin zu sein»

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Frisch, eigenständig und voller Lebensfreude: Patricia Michel (41)

betreibt mit ihrem Ehemann das Küsnachter Weingut Diederik – und prägt ihre Weine auch mit ihrer Persönlichkeit. Die Geschichte einer Powerfrau, die plötzlich zur Unternehmerin

wurde.

Frisch, eigenständig und voller Lebensfreude: Patricia Michel (41) betreibt mit ihrem Ehemann das Küsnachter Weingut Diederik – und prägt ihre Weine auch mit ihrer Persönlichkeit. Die Geschichte einer Powerfrau, die plötzlich zur Unternehmerin wurde.

 Ihre vierbeinigen Mitarbeiter mussten mit Beginn des Austriebs der Reben rasch abgezogen werden. Schafe hätten nämlich eine besondere Vorliebe für frische Knospen und junge Blätter, erklärt Patricia Michel und schmunzelt. Zu Beginn des Jahres hatten sie die Gräser und Kräuter rund um die knorrigen Stöcke beständig abfressen. «Nun müssen wir selber ran.» Im Frühling steht die Bändigung der jungen Rebentriebe auf dem Plan, um sie an der Rankhilfe befestigen zu können.

Mit Beharrlichkeit und Geduld
Obgleich die Arbeit am Weinberg nicht leicht ist, freut sich Patricia Michel darauf und erledigt, was getan werden muss, mit Beharrlichkeit und Geduld. Die 41-Jährige steht zwischen den Rebzeilen, die wie eine kunstvoll geritzte Schraffur den besonnten steilen Hang ihres Weinbergs überziehen, und sieht dem Werden eines neuen Jahrgangs entgegen. Unten ruht der Zürichsee, in der Ferne leuchten die schneebedeckten Glarner Alpen.
In dieser Idylle auf dem Giesshübel im Küsnachter Ortsteil Heslibach steht das Weingut Diederik. Vor sechs Jahren hat sie es gemeinsam mit ihrem Ehemann Diederik Michel, einem ausgebildeten Önologen, gegründet, – ihm zuliebe, weil es sein Lebenstraum war, einen eigenen Betrieb zu führen. Doch einer allfälligen Unterstellung, sie sei «die Frau an der Seite des Winzers», nimmt sie gleich den Wind aus den Segeln. Mit charmantem Basler Akzent erzählt sie, wie ihr Mann dagegen gewesen sei, das Weingut nach ihm zu benennen, schliesslich gehöre es ihnen beiden. «Aber ich war Feuer und Flamme für die Idee, unserem Weingut den Vornamen meines Mannes zu geben, denn Diederik ist eine einprägsame und unverwechselbare Marke und Michel halt schon mit Fruchtsaft besetzt.»

Ein «Fifty-fifty»-Projekt
Die gelernte Krankenschwester arbeitet zwar weiterhin 40 Prozent bei der Spitex, um einen fixen Anteil des Familienbudgets sicherzustellen, aber sie stellt klar: «Das Weingut Diederik ist unser Familienprojekt, alles ist fifty-fifty.» Genauer: «Wir geben beide 100 Prozent für unsere Weine.»
Ihre Weine sind frisch, eigenständig und voller Lebensfreude – ebenso geprägt von der Persönlichkeit der Weingutbesitzerin wie des -besitzers. Ihr Räuschling und ihr Pinot Noir passen zum Apéro und zum Essen und finden regen Absatz in den besten Restaurants rund um den Zürichsee und in der Stadt Zürich, bei ihren privaten Kunden an der Goldküste und im Weinhandel.
Eigentlich hatte Patricia Michel für sich ein unaufgeregtes Leben erträumt. Eine Familie gründen, die Kinder selber betreuen, traditionelle Rollenverteilung. Sie ist keine Draufgängerin, die sich in unbekannte Abenteuer stürzt. Aber zum Glück, sagt sie heute lachend, sei ihr damals, als sie 2014 mit ihrem Mann den Rebberg der Familie Welti übernahm, nicht en détail bewusst gewesen, was es tatsächlich bedeutet, mit zwei kleinen Kindern, zwei- und vierjährig, ein eigenes Weingut zu gründen, jahrelang finanziell «unten durch» zu müssen, doppelt so viel zu arbeiten und manchmal vor Sorge um die Traubenernte – wegen Frost, grosser Hitze, zu viel Regens, schweren Hagels, Schädlingen und anderer Unbill – kaum schlafen zu können, «sonst hätte ich mich wohl nicht darauf eingelassen.»
Aber mit jeder neuen Aufgabe sei sie in die Rolle der Unternehmerin und Weinproduzentin hineinwachsen und heute sagt sie: «Es ist immer noch eine riesige Herausforderung, aber es ist grossartig, seine eigene Chefin zu sein, es macht Spass, Verantwortung zu übernehmen, und stolz, einen eigenen Betrieb zu führen. »
So ist Patricia Michel hauptsächlich für den Vertrieb, die Degustationen für die Kunden, das Marketing und den Festbetrieb auf dem Weingut zuständig. Nach dem Ausbau des Weins in den Tanks und Eichenfässern, wenn man ihn endlich verkosten kann, entscheidet sie zusammen mit ihrem Mann und dem Winzer, ob der Zeitpunkt zum Abfüllen in die Flaschen gekommen ist. Frauen riechen und schmecken nicht besser als Männer, aber anders. Und bei den Degustationen ihres eigenen Weins will sie sicherstellen, dass er ihren Ansprüchen genügt – also perfekt ist. Und schliesslich verrichtet sie mit einem «coolen Team von Frauen aus dem Dorf» regelmässig die anfallenden Arbeiten im Weinberg, vom Anbinden bis zur Wümmet. «Man darf sich als Unternehmerin für nichts zu schade sein.»

Die «Macherinnen»
Mut machten ihr befreundete Winzerinnen wie Marilen Muff vom Weingut Schwarzenbach in Meilen, die mit derselben Selbstverständlichkeit Wein produzieren, trinken und darüber sprechen wie Männer. «Macherinnen» nennt sie jene Frauen, die sie beeindrucken.
Mit der heutigen Frauenbewegung weiss sie denn auch wenig anzufangen. Am 14. Juni letzten Jahres habe sie nicht demonstriert, dafür habe sie gar keine Zeit, sondern gearbeitet. «Ich sehe mich nicht als Feministin», sagt sie. «Sicherlich ist Gleichberechtigung extrem wichtig, Frauen leisten enorm viel und sollen dafür gleich entlöhnt und wertgeschätzt werden wie Männer.» Eine Partnerschaft in Beruf und Familie sei für sie jedoch kein Schlachtfeld zwischen Mann und Frau, sondern viel mehr eine Teamarbeit, bei der jeder den anderen stärkt.
Seine Ziele zu erreichen, sei eine Frage des Selbstvertrauens und der eigenen Leistung – nicht des Geschlechts. Und dies ist eine der wichtigsten Erfahrungen als Unternehmerin für Patricia Michel: «Man kann wahnsinnig viel erreichen, wenn man will.» Die Diederik-Weine schmecken übrigens beiden Geschlechtern gleichermassen.