Die Schulen öffnen ihre Tore wieder am kommenden Montag. Schulpräsident Klemens Empting (FDP) über die Herausforderungen, die auf die Schule, die Kinder und nicht zuletzt auf die Eltern zukommen.
Klemens Empting, der Bundesrat hat beschlossen, dass die Grundschulen nächste Woche wieder öffnen dürfen. Wie schauen Sie diesem Ereignis entgegen?
Es freut mich, dass wir ab dem 11. Mai wieder mit dem Präsenzunterricht für unsere Schulen beginnen können. Etwas Normalität kommt zurück in unseren Alltag. Vor uns liegen vier besondere Wochen, für die neue Konzepte erarbeitet werden müssen.
Was sind hier die Hauptpunkte?
Einerseits geht es um den Schulunterricht, andererseits aber auch um die Betreuung, die Transporte der Kinder und die Umsetzung der Hygienevorgaben. Der Start wird nicht einfach sein.
Die Klassen werden vorläufig nicht mehr als 15 Kinder umfassen, also in zwei Gruppen geführt. Wie wird das gehen?
Wir werden fast alle Klassen in Halbklassen unterrichten. Dies führt dazu, dass wir den Stundenplan reduzieren und nur noch 10 bis 14 Wochenlektionen führen, also rund die Hälfte eines normalen Pensums. Die Stundenzahl hängt von der Altersstufe ab und steigt vom Kindergarten bis zur letzten Primarklasse.
Wie machen Sie das konkret?
Jeweils eine Halbklasse wird am Vormittag unterrichtet, die andere am Nachmittag. In der Sekundarstufe können zwischen 16 und 18 Wochenlektionen gegeben werden. Auch hier haben die Schüler entweder vormittags oder nachmittags Unterricht. Für unsere Lehrpersonen erfordert die Umsetzung viel Flexibilität und ein besonderes Engagement.
Und was tun die Kinder, die keine Schule haben? Haben die frei?
Nein, die werden weiterhin Aufgaben im Homeschooling erledigen müssen.
Wird es dafür genügend Lehrpersonen geben? Die Risikopersonen dürfen ja nicht unterrichten. Und auch solche nicht, die mit Risikopatienten zusammen unter einem Dach wohnen.
Grundsätzlich sollte eine Lehrperson, die zur Gruppe mit besonderer Gefährdung gehört, den Präsenzunterricht nicht aufnehmen. Ausgenommen sind die Lehrpersonen, die es selbst wünschen und dies nach einem Gespräch mit der Schulleitung schriftlich bestätigen. Den Fernunterricht können sie aber unabhängig davon durchführen. Es wird auch besonders gefährdete Schulkinder geben, die weiterhin auf Fernunterricht angewiesen sind.
Fest steht: Es braucht einen genügend grossen und flexiblen Personalpool. Greifen Sie da auf Vikare zurück?
Ja, das machen wir. Es können ja Lehrpersonen auch aus anderen Gründen ausfallen. Zurzeit erarbeiten wir die Pläne für unsere Mitarbeiter, und ich kann noch nicht abschliessend sagen, wie viel Unterstützung wir benötigen.
Es sind gewaltige Hygienevorschriften zu erfüllen, wenn der Unterricht denn beginnt. Was ist da das Wichtigste?
Unsere Schülerinnen und Schüler werden noch einmal darin geschult, die bekannten Verhaltens- und Hygienemassnahmen korrekt einzuhalten. Auch werden Pausen gestaffelt sein, und auf das Händeschütteln wird verzichtet, um nur einige Beispiele zu nennen. Für unsere Hauswarte bedeutet das Schutzkonzept einen hohen Aufwand. Mehrmals täglich sind Oberflächen, Schalter, Fenstergriffe und Türfallen, Treppengeländer sowie die WC-Infrastruktur und Waschbecken zu reinigen. Die Mitarbeitenden in der Betreuung haben weitergehende Hygienevorschriften.
Und wie bewerkstelligen Sie diesen zusätzlichen Aufwand? Mit mehr Personal? Wenn wir die Arbeiten mit dem eigenen Personal nicht schaffen, werden wir externes Personal einsetzen, ja.
Wie schützen Sie die Schüler – und Lehrer – weiter? Wird man Masken tragen?
Das generelle präventive Tragen von Masken ist in der Volksschule keine sinnvolle Massnahme. Es werden aber Masken in allen Schulen für besondere Fälle zur Verfügung stehen. In besonderen Situationen müssen Erwachsene Masken tragen, wenn sie zum Beispiel über eine längere Zeit die Abstandsregel nicht einhalten können, oder in einzelnen therapeutischen Situationen.
Was ist mit Lehrpersonen, die daheim eigene Kinder hüten müssen?
Für den Präsenzunterricht ist die Anwesenheit der Lehrpersonen notwendig. Dies ist nicht möglich mit dem Homeoffice oder dem Fernunterricht. Die Lehrpersonen müssen für ihre eigenen Kinder eine Betreuungsmöglichkeit finden. Da ihre Tätigkeit als systemrelevant gilt, kann ein Platz in einer Krippe oder einer schulergänzenden Betreuung in Anspruch genommen werden.
Wie werden Sie die Tagesbetreuung regeln? Bisher stand da nur eine Notbetreuung auf dem Programm.
Ab dem 11. Mai werden mehr Kinder in die Betreuung gehen können. Wir haben aber die Einschränkung, dass maximal 15 Kinder in einer Gruppe betreut werden dürfen. Je nach Räumlichkeiten sind es auch weniger. Da wir im Normalfall mehr Kinder in der Tagesbetreuung haben, werden nicht alle Elternwünsche berücksichtigt werden können.
Welche Kinder werden bevorzugt?
Diejenigen, deren Eltern in einem systemrelevanten Beruf arbeiten oder die besondere familiäre oder berufliche Gründe haben, werden vorrangig einen Platz bekommen. Im Hort gelten die gleichen Prinzipien wie im Schulbetrieb. Besondere Hygienebedingungen gelten natürlich bei der Essensausgabe.
Wird die Öffnung der Schulen für die Eltern tatsächlich eine Entlastung sein?
Ich denke, das kommt individuell drauf an. Aber wir schauen bei den Stundenplänen schon, dass Geschwister möglichst in die gleichen Schulblöcke eingeteilt werden.
Ihnen sind als Schulpräsident auch die Krippen zugeteilt. Wie geht die Betreuung da weiter?
Wir haben in Küsnacht mehrheitlich private Krippen, für die die Aufsicht bei der Gemeinde und damit bei der Schule liegt. Sie können das Betreuungsangebot im Rahmen der Vorgaben des Bundes und des Kantons selbst bestimmen. Ab dem 11. Mai können die Krippen die Betreuung wieder komplett anbieten.
Punkto Kosten: Müssen die Eltern die Beiträge zahlen, obwohl ihr Kind wegen Corona nicht in die Tagesbetreuung oder die Krippe gehen konnte?
Der Regierungsrat hat am 22. April eine Verordnung über die Ausfallentschädigungen zugunsten der Kindertagesstätten erlassen. Darin wird festgehalten, dass die Krippen 80 Prozent des Schadens vom Kanton und von den Gemeinden erstattet bekommen. Die Eltern werden für die Zeit vom 16. März bis zum 10. Mai nicht zahlen müssen, wenn sie ihr Kind nicht betreuen lassen konnten. Bei den Tagesstätten steht der Entscheid der Küsnachter Schulpflege noch aus. Voraussichtlich wird den Eltern der Betrag nicht verrechnet.
Die Gemeinde greift dem Gewerbe finanziell kräftig unter die Arme. Wird für Familien genug gemacht?
Für die Familien entstehen durch die Einstellung des Präsenzunterrichtes keine direkten finanziellen Aufwände. Ob es durch die eigene Betreuung der Kinder bei Eltern zu Einkommensverlusten kommt und zusätzliche finanzielle Unterstützung notwendig ist, kann ich nicht beurteilen. Die Familien sollten sich in diesen Fällen an die Gemeinde wenden.
Ab 8. Juni treten wir voraussichtlich in die zweite Lockerungsphase – dann öffnen auch die nicht obligatorischen Schulen. In Küsnacht betrifft das die Schule Tempus für das zehnte Schuljahr. Beschäftigen Sie sich schon damit?
Ja, die Tempus ist intensiv mit den Vorarbeiten für den Beginn des Präsenzunterrichts beschäftigt. Ein Ziel der Schule ist es, für alle Schülerinnen und Schüler eine Anschlusslösung nach Beendigung der Schule zu finden. Der Erfolg bei der Vermittlung der Lehrstellen war in den letzten Jahren sehr gut.
Für die jetzige Abschlussklasse ist es wegen Corona aber schon ein «abgeklemmtes » Schuljahr. Finden diese Jugendlichen überhaupt eine Lehrstelle? Die aktuelle Situation stellt tatsächlich auch die Lehrpersonen vor besondere Herausforderungen. Die Jugendliche benötigen jetzt eine Lehrstelle, und sie unterstützen die Jugendlichen selbstverständlich auch während der Einstellung des Präsenzunterrichts darin. Zudem ist die Schule bei der Tempus auch im Fernunterricht weitergegangen.
Was denken Sie? Wird Corona den Schulalltag verändern?
Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer beantworten. Wir sind noch mitten in der Bewältigung dieser anspruchsvollen Situation.
Möglich wäre es, dass der Digitalunterricht an Bedeutung gewinnt.
Der Digitalunterricht ist mit dem Lehrplan 21 schon ausgebaut worden. Jetzt haben wir einiges an Erfahrung sammeln können mit dem Fernunterricht und den Möglichkeiten der Digitalisierung. Ob und wie das in den normalen Unterricht eingebaut werden kann, werden die Schulen noch erarbeiten müssen.
Eine persönliche Frage: Wie werden Sie dereinst auf diese Zeit als Schulpräsident zurückblicken?
Als eine spannende, herausfordernde Zeit, bei der ich viel Engagement und Flexibilität bei all unseren Mitarbeitern – sei es in der Schulverwaltung, in der Infrastruktur, in der Betreuung, in der Krippe oder in unseren Schulen bei den Lehrpersonen und den weiteren pädagogischen und nichtpädagogischen Mitarbeitern – erlebt habe. Auch erlebe ich viele Eltern, die die sehr einschneidenden Massnahmen mittragen, viel Verständnis zeigen und uns positive, aufbauende Mitteilungen schicken. Die Zusammenarbeit zwischen dem Krisenstab der Schule und dem Krisenstab der Gemeinde ist sehr gut, und wir bekommen alle Unterstützung, die wir benötigen.
Wann herrscht wieder Normalbetrieb?
Ich denke, es liegt noch ein weiter Weg bis dahin vor uns, und wir werden noch einige Herausforderungen meistern dürfen.
Werden die Schüler die Rückstände, die vermutlich unbestritten wegen Corona entstanden sind, wieder aufholen können? Ich habe mit vielen Lehrpersonen gesprochen. Solche Ausfälle sollten schon aufholbar sein.