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«Falken»-Wirt Albino: «Mich hat das vergangene Corona-Jahr stark gemacht»

Erstellt von Manuela Moser |
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Während der ersten Corona-Welle hat Toni Albino vom Küsnachter «Falken» an der Zürcher Langstrasse Essen ausgeteilt. Das spendete ihm viel Kraft. Seit dieser Woche sind nun alle Restaurants wieder zu. Die erneute Schliessung trifft den Wirt hart.

Wie geht es Ihnen, Toni Albino, in dieser aktuellen zweiten Corona-Welle?
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Diese zweite Schliessung der Restaurants muss ich erst mal verdauen. Bis jetzt musste ich keiner meiner sechs Angestellten entlassen. Teilweise arbeiten sie seit 20 Jahren für mich. Aber ich hoffe wirklich sehr, die Schliessung dauert nicht mehr als einen Monat. Sonst wird es schwierig.

Es wären jetzt um Weihnachten die Monate mit den grössten Umsätzen für Sie ...
Genau so ist es. Mit dem zusätzlichen Partyservice, den ich schon seit Jahren betreibe, kämen jetzt weitere Einnahmen dazu. Reserven also, die uns über das ganze Jahr getragen hätten. Das fällt jetzt alles weg. Das ist wirklich hart.

Und wenn Sie einen Take-away machen?
Das ist nicht so einfach. Einen Take-away nur für eine befristete Zeit aufzubauen ist aufwendig und bringt die Kosten nicht sofort rein, die man für die Bezahlung ­seiner Mitarbeiter ausgibt. Das rechnet sich nicht. Zum Glück haben wir im Sommer relativ gut gearbeitet. Aber ich will nicht jammern, es gibt Branchen, wie die Künstler zum Beispiel, denen geht es genau so schlecht und vielleicht schlechter.

Welche Methoden haben Ihnen schon bei der ersten Welle geholfen, den Mut nicht zu verlieren?
Im Gastgewerbe gewöhnt man sich an lange Arbeitstage und für mich war es undenkbar, einfach die Hände in den Schoss zu legen und abzuwarten. So suchte ich im Lockdown diesen Frühling nach einer sinnvollen Aufgabe. Und diese fand ich, indem ich begann, mit meinem Küchenchef Lars Schwalenberg und meiner Tochter Sarah für Obdachlose und andere hilfsbedürftige Menschen zu kochen. Das war während der ersten Welle jeden zweiten Tag. Da konnte ich auch hautnah miterleben, wie vielen Menschen es noch viel schlechter geht.

Was sind für Sie die schlimmsten Folgen dieser Pandemie?
Das Schlimmste für mich wäre, wenn diese Krise noch länger andauern würde und viele ihre mit viel Liebe aufgebauten Existenzen aufgeben müssten. Bereits eine grössere Anzahl von KMU mussten ihre Geschäfte schliessen. Ich frage mich: Was passiert mit diesen Menschen, wann und wie können sie sich wieder neu ­orientieren?

Gibt es auch gute Aspekte zu Corona?
Die Pandemie hat uns zum Nachdenken gebracht, wir mussten Prioritäten setzen. Ich habe eine Solidarität unter den Mitbürgerinnen und Mitbürgern erlebt wie noch nie. All die Hilfe, welche ich für meine Essenslieferungen für Obdachlose und Hilfsbedürftige bekommen habe, war unglaublich.

Wie sah das konkret aus?
Alle haben mitgeholfen. Vom Gewerbe habe ich Lebensmittel bekommen, die nicht mehr verkauft werden konnten, aber einwandfrei waren. So wie Gemüse und Brot. Die Gemeinde hat das Take-away-Geschirr gesponsert. Die Medien berichteten darüber.

Auch der «Küsnachter».
Ja. Von überall her haben mir dann Leute Taschen voller Lebensmittel gebracht oder Kärtchen mit Geldspenden in meinen Briefkasten gelegt. Es war einfach grossartig. Eine tolle Erfahrung, die ich erleben durfte. An dieser Stelle nochmals mein grosses Dankeschön an alle für die Unterstützung und das grosse Vertrauen. Es hat mir enorm geholfen.

Denken Sie, die aktuelle Corona-Welle löst wieder so viel Solidarität aus? Gehen Sie erneut mit Essen an die Langstrasse?
Ehrlich gesagt muss ich mich jetzt erst einmal selber fassen. Aber dann kann ich mir schon vorstellen, wieder mit anzu­packen.

Wie lange wird Corona Ihrer Meinung nach noch dauern?
Es wäre schön, wenn ich das wüsste. Auch die Epidemiologen und alle weiteren Spezialisten können diese Frage nicht beantworten.

Und die Impfung ist dann das Ende von Corona?
Viele denken, die Impfung werde die ­Lösung bringen. Ich hoffe und glaube dies auch, aber wie lange das noch dauern wird, kann einfach zum heutigen Zeitpunkt niemand beantworten. Bis dahin müssen wir probieren, das Problem zu minimieren. Stay at home, grössere Menschenmengen vermeiden und so weiter – wir kennen es ja. Ich denke,
wir hätten früher in der gesamten Schweiz einen kompletten Lockdown machen müssen, natürlich mit den entsprechenden Hilfspaketen vom Bund. Denn einmal durch ist besser als tröpfchenweise.

Wie wird Corona unsere Gesellschaft ­verändern?
Ich denke, Corona wird vieles anders machen. Die kleinen Dinge werden wieder mehr geschätzt, es gibt eine Solidarität unter uns, denn ohne Gesundheit läuft nichts. Mich persönlich hat das Jahr unterm Strich stark gemacht, mit vielen neuen Erfahrungen. Die vielen kleineren und grösseren Aufmerksamkeiten von Gästen, Bekannten und Freunden zu meiner Hilfsaktion haben mir enorme Freude bereitet. Ich hoffe, zu dieser Kraft nun auch in der zweiten Schliessungswelle möglichst bald wieder zu finden.