Abo bestellen

Fast schon wie eine Weihnachtsgeschichte

Erstellt von Isabella Seemann |
Zurück

Eine Depression warf ihn aus der beruflichen Bahn. Durch das Arbeitsintegrationsprogramm der sozialtherapeutischen Einrichtung Freihof Küsnacht fand der Schauspieler und Regisseur Lukas die Zuversicht für einen Neustart.

Eine Depression warf ihn aus der beruflichen Bahn. Durch das Arbeitsintegrationsprogramm der sozialtherapeutischen Einrichtung Freihof Küsnacht fand der Schauspieler und Regisseur Lukas die Zuversicht für einen Neustart.

Am liebsten wäre Lukas gar nicht mehr aufgestanden. Schon am Morgen fühlte er sich müde, erschöpft, ausgebrannt. «Ich hatte keinen Antrieb zu gar nichts, alles war mir zu viel», erzählt Lukas. Er war in seinen frühen Dreissigern, als der ausgebildete Schauspieler und Regisseur spürte, dass sein High-Potential- Leben aus den Fugen gerät: «Ich hatte eine spannende Arbeit und Erfolg im Theater.» Doch erst zu spät merkte er, dass die täglichen Herausforderungen bei den Proben, der zeitliche Stress, der Perfektionsdruck, die Emotionen, die vielen nicht prestierten Hilfeleistungen und die Frustrationen, wenn etwas nicht lief wie geplant, in seiner Seele Spuren hinterliessen.
Die Spannungen nahmen zu, private Sorgen zogen auf, der Körper sandte erste Alarmsignale. Er ignorierte sie. «Dann hatte ich einen Zusammenbruch, stürzte in eine Depression, kehrte dem Theater den Rücken zu und verlor meine sozialen Kontakte», fasst Lukas diesen Akt seines Lebens kurz zusammen. Tatsächlich dauerte er mehrere Jahre. Mit Übersetzungsarbeiten hangelte er sich so durch, stolperte im Dunkeln herum, sah kein Licht, nirgendwo.

Abwärtsspirale voll im Gang
«Ich verlor das Selbstvertrauen und den Lebensmut, hatte kein Ziel mehr vor Augen, erkannte keinen Sinn in meinem Dasein, ich konnte kaum noch atmen.» Als ihm bewusst wurde, dass er sich aus eigener Kraft nicht aus dem Sumpf ziehen kann, war er bereit, Hilfe zu suchen und anzunehmen. Er kontaktierte selber die sozialtherapeutische Einrichtung Freihof Küsnacht und fragte an, ob er sich zur Arbeitsintegration anmelden dürfe.
Alltäglich ist das für die Abteilung Arbeit und Integration des Freihofs durchaus nicht, denn üblicherweise erfolgt eine Anmeldung über eine zuweisende Stelle wie der Sozialdienst oder die IV. Nach Gesprächen, Bewilligungsverfahren und einem Eintrittsprozedere wurde Lukas vor zirka einem Jahr fürs Integrationsprogramm aufgenommen.
«Der Wunsch, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten zu können, ist die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration », erklärt Beatrice Betschart, Leiterin Arbeit und Integration im Freihof. Die Arbeitsagogin und ihr Team begleiten Lukas auf diesem Weg, dessen Ziel die Stabilisierung, die Erweiterung der Handlungskompetenzen durch individuelle Förderung sowie die positive Verhaltensbeeinflussung und letztlich die Integration in die Arbeitswelt ist. Wieder aktiv sein Den Estrich einer Villa oder den Keller einer Firma zu räumen, mag von aussen bescheiden wirken, doch sind dies alles Herausforderungen, von denen die Freihof- Klienten enorm profitieren können. «Es tut als Erstes mal enorm gut, wieder aktiv tätig zu sein, die eigene Kraft zu spüren, sich zu organisieren, mit den Kollegen abzusprechen und Entscheidung zu treffen, seien diese noch so klein», erzählt Lukas von seinen Anfängen im Freihof. Leicht fiel es ihm zu Beginn trotz Eigeninitiative nicht. «Ich hatte mich lange so stark abgekapselt, dass ich mich selbst für kontaktscheu hielt.» Schritt für Schritt, Tag für Tag, mit Erfolgserlebnissen und Ermutigungen, sei es ihm besser gegangen und es gelang ihm, das Arbeitspensum stetig zu erhöhen. Und vor allem fühlte er sich wieder wohl, unter Menschen zu sein. Das Gerümpel anderer Leute aufzuräumen, motivierte ihn, Platz in seinem eigenen Leben zu schaffen für Neues. Und durch die Arbeit mit den Möbeln erwachte auch wieder seine Freude an Holz und seine Neugier, wie Dinge hergestellt werden.

Ausbildung als Schreiner
In der Schreinerei des Freihofs hat der 38-Jährige eine Grundausbildung angefangen, damit er in einem weiteren Schritt ein Praktikum bei einem Schreiner absolvieren kann. Sein Wunsch: eine Schreinerlehre zu machen. Das Handwerk liege in seiner Familie, beruflich oder als Hobby, erzählt Lukas und erinnert sich an seinen Grossvater, der im Keller allerlei Dinge reparierte. «Das Handwerk liegt mir im Blut, ich fühle mich ihm verbunden.»
Beatrice Betschart, Leiterin der Produktion, der Schreinerei und des Ateliers des Freihofs und selbst ausgebildete Schreinerin, attestiert ihm Talent: «Lukas hat handwerkliches Geschick und technisches Verständnis und er arbeitet sehr sorgfältig und präzise.» Ein weiterer Motivationsschub.
«Jetzt muss ich vor allem den Mut finden, in meinem Alter noch eine Lehre anzufangen und sie durchzuziehen.» Aber im Freihof habe er gelernt, dass es nie zu spät ist für einen Neuanfang.
Einige Wochen nach dem Gespräch mit dem «Küsnachter» hat Lukas seine handwerkliche Ausbildung EFZ begonnen.