Catherine Julen Grüter (55) führt zusammen mit ihrem Mann seit 18 Jahren das Romantik-Seehotel Sonne in Küsnacht. Für einmal ist sie jedoch nicht umsichtige Gastgeberin, sondern setzt sich für das Gespräch mit dem «Küsnachter» selbst an einen Tisch auf der Terrasse am Zürichsee.
Frau Julen, wurde Ihnen mit dem Namen der bekannten Zermatter Hoteldynastie auch die Rolle als Direktorin in die Wiege gelegt?
Meine Mutter hat drei Hotels geführt, sie war Gastgeberin mit Leib und Seele, eine ganz grosse Geschäftsfrau und wunderbare Mutter von sieben Kindern, denen sie ein liebevolles Daheim schenkte. Meine Mutter ist mein grösstes Vorbild! Sie war eine starke Frau und auf ihre Art emanzipiert für die damalige Zeit. Lustigerweise kommt sie aus dem Walliser Bergdorf Unterbäch, wo 1957 erstmals in der Schweiz Frauen an die Urne gingen – gegen den Willen von Kanton, Bundesbern und vielen Dorfbewohnern. Offenbar hat der Ort starke Frauen hervorgebracht.
Was haben Sie von starken Frauen für Ihr eigenes Leben gelernt?
Man kann die Arbeit nicht losgelöst vom Privatleben sehen. Gute Leistung im Geschäft kann ich nur erbringen, wenn es der Familie gut geht und ich ihren Rückhalt habe. Das Wohlergehen meines Mannes und meines Sohnes stehen bei mir deshalb an erster Stelle. Dahinter stand tatsächlich ein Lernprozess. Jedes Paar muss sein eigenes Modell finden, wie es Karriere und Familie vereinbart. Das ist das A und O. Politiker oder ideologische Bewegungen können einem diese Entscheidungen nicht abnehmen.
Wie läuft das denn bei einem Hotelierehepaar, das durch die Familie und die gemeinsame Führungsarbeit im Unternehmen verbunden ist?
Hotelierpaare stehen wie jedes berufstätige Paar vor der Herausforderung, das Geschäft mit der Familie zu vereinbaren, wobei in unserem Beruf erschwerend die Abend- und Wochenendarbeit hinzukommt. Unseren Sohn, ein Einzelkind, hatten wir früher für drei Tage in die Krippe gegeben, drei Tage war ich zu Hause. Doch auch dann ging ich abends oft noch ins Hotel, um im Restaurant zu arbeiten. Wenn dann eine Herrenrunde nach meinem Mann fragte und ich erklärte, er sei zu Hause und hüte den Sohn, dann schmunzelten sie. Dass ein Mann das Kind hütet, wenn die Frau arbeitet, ist offenbar auch für die jüngere Generation noch keine Selbstverständlichkeit.
Wie stehen Sie als Arbeitgeberin zu diesem Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Bei allem Verständnis für die individuelle Situation einer Familie wundere ich mich zuweilen schon, wenn es ständig die Frauen sind, die sich abmelden, wenn das Kind krank ist. Es liegt aber meines Erachtens auch an den Paaren, dass sie kein eigenes Setting zur Lösung dieses Problems erarbeitet haben. Man geht offenbar noch immer davon aus, dass es der Job der Frau ist, das Kind im Krankheitsfall zu hüten.
Macht die Schweiz genug zur Unterstützung von Familien und berufstätigen Frauen?
Es braucht auf jeden Fall genügend Krippenplätze, Mittagstische und Ähnliches, damit den Familien, in denen beide Eltern berufstätig sind, eine gute Betreuung für die Kinder geboten werden kann. Was darüber hinausgeht, bin ich jedoch der Ansicht, dass dies privat organisiert werden muss. Man kann nicht ständig nach dem Staat rufen. Es braucht auch Eigenverantwortung.
Gilt der Mann bei einem Hotelierehepaar eigentlich immer ein bisschen mehr als Direktor als die Frau?
Nein, wir sind beide hierarchisch gleichgestellt. Die Aufgaben und die Verantwortlichkeiten sind jedoch klar nach den individuellen Fach- und Persönlichkeitskompetenzen aufgeteilt. Ich habe die Gastgeberrolle im Restaurant und die Führungsverantwortung für Sales und Marketing. Mein Mann steht eher im Hintergrund und ist für Technik und die Organisation von Banketten und Hochzeiten zuständig. Für das Personal sind wir beide verantwortlich und werden von ihm auch gleichermassen respektiert. Auch bei den Gästen verlangt niemand nach dem Direktor, wenn ich an der Reception stehe.
Unterscheiden sich Mann und Frau in der Führung des Personals?
Nein, sie unterscheiden sich in ihrer jeweiligen Persönlichkeit. Jeder Mensch führt anders. Und manchmal hängt es auch von der Tagesform ab. Zuweilen sagt mir mein Mann, ich sei zu hart, ich muss zurückhaltender sein. Manchmal bin aber auch ich die «Gspürigere».
Was ist vom Frauenstreik am 14. Juni 2019 geblieben?
Ich würde selber nie an einer Frauendemo teilnehmen, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht solidarisch wäre mit einigen Anliegen. Grundsätzlich bin ich jedoch der Ansicht, dass man sich durch Leistung profilieren muss. Ich bin ausgesprochene Gegnerin der Frauenquote. Die finde ich ganz grässlich! Es sollen jene die Führungspositionen übernehmen, die auch die Verantwortung tragen wollen. Es ärgert mich auch, wenn Frauen mehr reden als machen.
Ist Frauenförderung in Ihrem Hotelbetrieb ein Thema?
Nein, wir fördern die Besten, ob es ein Mann ist oder eine Frau. Das Problem ist eher, dass zu wenig Frauen in der Hotellerie arbeiten wollen, obgleich sie in der Ausbildung wie in den Hotelfachschulen die Mehrheit stellen. Doch sobald sie eine Familie gründen, wollen viele nicht mehr abends und auch noch am Wochenende arbeiten.
Wie beurteilen Sie die Situation von weiblichen Führungskräften in der Hotel- und Gastrobranche im Allgemeinen?
Die Präsenz von Frauen im Management von Hotels ist stärker denn je. Gerade in den letzten Jahren sind viele Frauen zu Hoteldirektorinnen von grossen Schweizer Hotel befördert worden, wie beispielsweise Tanja Wegmann vom Hotel Trois Rois in Basel oder Corinne Denzler, die die Eröffnung und das operative Geschäft des Chenot Palace Weggis verantwortet. Allgemein beobachte ich, dass Frauen sehr wohl gefördert werden, aber auf halbem Weg aufhören.
Und wie erklären Sie sich das?
Ich glaube nicht, dass für sie das Setting nicht stimmt, sondern dass viele Frauen die letzte Meile nicht gehen wollen. Und zwar freiwillig. Sie möchten dann eben doch genügend Zeit verbringen mit den Kindern. Und daran ist doch auch nichts auszusetzen. Jede Frau kann selber entscheiden, wie sie ihr Leben gestaltet. Nur das Geklöne geht mir zuweilen auf die Nerven. Es sind nicht immer die Umstände schuld. Wer gut ist und ehrgeizig, kommt auch vorwärts.
Was bedeutet es für Sie, Chefin zu sein?
Mein Vater war Unternehmer und er redete mir aus, einen Beruf zu wählen, bei dem ich immer Assistentin bleiben würde. Heute gebe ich ihm recht: Chefin zu sein ist etwas Grossartiges. Man hat viele Gestaltungsmöglichkeiten und kann Probleme selber lösen und so dafür sorgen, dass es in Zukunft besser läuft.