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Geschichten hören und sich austauschen

Erstellt von Pia Meier |
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Der Pfarrer wird verhaftet und andere Geschichten: Die Küsnachterin Helga I. Jungo-Fallier las im altehrwürdigen Jürgehus in Küsnacht Erzählungen vor. Diese sorgten bei den literaturinteressierten Zuhörerinnen und Zuhörern für beste Unterhaltung.

Pia Meier

Gespannt warteten circa 20 literaturinteressierte Personen, unter ihnen vor allem ältere Frauen, auf die Lesung von Helga I. Jungo-Fallier. Einige kannten sich und unterhielten sich rege. Beim Lesenachmittag seien aber nicht nur die vorgelesenen Geschichten wichtig, sondern auch der Austausch mit anderen.

«Viele ältere Menschen sind alleine und freuen sich, anderen älteren Menschen zu begegnen», meinte eine Anwesende. Das sei wichtig für die Gemeinschaft. Jungo-Fallier begann den Lesenachmittag mit dem Spruch «Ein Tag ohne Lektüre ist ein verlorener Tag und zu viele verlorene Tage möchte man nicht haben». Sie führt für die Pro Senectute Kanton Zürich, Dienstleistungscenter Pfannenstiel, seit Sommer 2023 Lesenachmittage durch. Als Textquellen dienen Kolumnen, Erinnerungen, Kurzgeschichten und Lebensweisheiten, welche sie selber vorbereitet und vorträgt.

Franz Hohler stand im Mittelpunkt

Diesmal standen Erzählungen von Franz Hohler im Mittelpunkt. Die Geschichte vom Pfarrer, der sich immer mehr in einen Mordfall verstrickt, aus dem Buch «Die Torte und andere Erzählungen» aus dem Jahr 1967, brachte die Anwesenden zum Lachen. Der unbescholtene, aber etwas unbeholfene Mann findet eine alte Velonummer, die er in sein Portemonnaie steckt. Dieses wird ihm gestohlen und von der Polizei gefunden. Die Velonummer führt die Beamten zu einem alten Mordfall. Was der Pfarrer an jenem Tag vor Jahren gemacht habe, will die Polizei wissen. Die alte Agenda hat er zwar aufbewahrt, aber er kann es der Polizei nicht sagen, denn er hatte damals eine Liebesaffäre. So lässt er die Agenda in einem Abfallkübel verschwinden, wo sie die Polizei findet. Nun sitzt er in Untersuchungshaft und bittet einen Freund und Anwalt in einem Brief um Unterstützung. 

Auch eine weitere Erzählung an diesem Nachmittag war von Franz Hohler. Das Buch «Der Enkeltrick» erschien im Jahr 2021. Die vorgelesene Geschichte handelte von Steinen, die immer wieder aus dem Nichts auf den Küchenboden eines einsamen Alpenhotels fallen. Wie­so regnet es Steine? Dieser Frage gehen nicht nur die Küchenmannschaft, sondern auch der Hoteldirektor nach. Der Titel des Buches animierte Anwesende zu erzählen, dass sie schon Telefonanrufe bekommen hätten, dass ihre Tochter verunglückt sei und Ähnliches. Rege wurde über Enkeltricks diskutiert.

Jungo-Fallier schreibt selbst

Zwischen den beiden Hohler-Erzählungen las Jungo-Fallier aus «Reisegeschichten 2012» der SBB vor. Diejenige von Stefan Niederer (46) aus Berneck erzählte die lustige Geschichte vom indischen Reisenden, der vom Zug die Schrebergärten bei Winterthur sieht und seinen Nachbarn fragt, ob dies die Slums von Winterthur seien. Auch die Erklärung, dass dort Gemüse und Früchte angebaut würden, versteht er nicht. Es gebe schliesslich den Supermarkt. Anschliessend an die Lesung genossen die Anwesenden Kaffee und Kuchen.

Jungo-Fallier hat selber eine Biografie geschrieben über Katia Mann, die Gefährtin eines grossen Dichters. Sie wohnt seit 1979 in Küsnacht. Seit den 80er-Jahren veröffentlicht sie Lyrik, Kurzprosa und Reflexionstexte in Zeitschriften, Zeitungen und Leserbriefen. Im Jahr 1988 gründete sie einen Literaturkreis, der sich neben den deutschsprachigen Schriftstellern vorwiegend dem Thema Frausein widmet. Die nächste Lesung von ihr in Küsnacht ist am 3. April, ebenfalls im Jürgehus.