Die ersten Küsnachter beziehen bereits diesen Winter lokale Fernwärme. Das ist vorbildlich, denn die Energie stammt von der Abwärme des Klärwassers und ist beinahe CO2-neutral.
Öltank und Heizkessel gehören im Küsnachter Quartier Heslibach der Vergangenheit an, auch den dreckigen Kamin muss kein Kaminfeger mehr hinaufklettern. Für die Bewohner liefert ein Fernwärmenetz die nötige Energie, um das Haus oder die Wohnung zu heizen. Letzten Sommer nahmen die Werke am Zürichsee ihr Netz in Betrieb, an welches mittlerweile 30 Liegenschaften angeschlossen sind. Zudem wurden 64 weitere Kunden an Land gezogen, die künftig nachhaltig heizen werden. Denn der grösste Teil der Energie stammt von der Abwärme des geklärten Abwassers der Abwasserreinigungsanlage (ARA) Küsnacht-Erlenbach. Über ein elf Kilometer langes Rohrsystem wird das 70 Grad warme Wasser dann an die Haushalte des angrenzenden Quartiers verteilt.
Kosten sind ähnlich
Dass die Werke am Zürichsee bereits beinahe hundert Kunden gewinnen konnten, liegt vor allem an der Unkompliziertheit des Heizmittels. So müssen sich die Hauseigentümer nicht mehr um die Energiebeschaffung kümmern und sparen sich den Service für Heizung und Kamin. Adrian Sägesser, Verantwortlicher für das Projekt und Abteilungsleiter Netze, bringt es auf den Punkt: «Die Kunden erhalten von uns eine Rechnung, Strom und Wärme und dann ist das Thema für sie erledigt.» Diesen Komfort würden sie besonders schätzen. Ausserdem sparen die Bezüger viel Platz, weil anstatt Öltank und Heizkessel lediglich eine Übergabestation und ein Wärmespeicher benötigt werden.
Finanziell lohnt sich die Fernwärme für ihre Abnehmer auf den ersten Blick nicht. Die laufenden Kosten sind nämlich wesentlich höher als beispielsweise beim Heizen mit Erdöl. «Wenn man Bau, Unterhalt und Investitionen berücksichtigt, kommt es preislich aber etwa aufs Gleiche raus», sagt Adrian Sägesser. Darum lohne sich der Umstieg auf die Fernwärme besonders bei Haushalten mit alten Heizungen.
90 Prozent nachhaltige Energie
Anders als bei anderen Fernwärmenetzen liefert bei jenem in Küsnacht nicht etwa die Verbrennung von Müll oder fossiler Energien wie Kohle oder Erdöl die Energie. Stattdessen wird die Abwärme des Klärwassers als Energieträger genutzt. «Diese Wärmenutzung ist der grösste Vorteil im Bereich Nachhaltigkeit», findet Adrian Sägesser.
Bevor das geklärte Abwasser in den Zürichsee fliesst, gibt es seine Energie an das Kältemittel Ammoniak ab und verdampft es. Von der Abwärme des Abwassers stammt aber nicht die ganze Energie des Fernwärmesystems, sondern gut die Hälfte. Deshalb hilft eine Wärmepumpe aus. Sie verdichtet das gasförmige Kältemittel, bis dieses genug heiss ist. Wegen des ökologischen Naturstroms, mit welchem die Wärmepumpe versorgt wird, soll auch deren Energieproduktion nachhaltig sein.
Ganz ohne fossile Energieträger geht es im Heslibach aber nicht. Hauptsächlich im Winter hilft ein mit Erdgas betriebener Heizkessel nach, um den zusätzlichen Energiebedarf zu decken. Damit die Heslibacher selbst bei Stromausfall nicht kalt duschen müssen, würde dieser auch beim Ausfall der Wärmepumpe zum Einsatz kommen.
Weil insgesamt ein Zehntel der Energie vom Heizkessel stammt, ist das Fernwärmenetz nicht vollständig CO2-neutral. Im Vergleich zu Heizsystemen mit Erdöl und Erdgas spart es mit den gegenwärtigen Anschlüssen trotzdem jährlich 1000 Tonnen CO2. Damit könnte eine Einzelperson rund 500 Mal nach New York und zurück fliegen.
Bagger weckten Neugier
Bevor das 12-Millionen-Projekt seinen Lauf nahm, führten die Werke am Zürichsee eine Kundenbefragung durch. Ein Drittel der befragten potenziellen Kunden zeigte damals Interesse an einem Fernwärmeanschluss. Danach kümmerte sich ein Projektleiter darum, Kunden zu gewinnen und ihnen das System näherzubringen. Geschäftsleiter Rolf de Pietro ist zufrieden mit der Nachfrage: «Es meldeten sich überraschend viele Interessenten, darunter auch kleinere Haushalte.» Als dann die Bagger die Strasse aufrissen, seien die Leute neugierig geworden und nochmals neue Interessenten dazu- gekommen, fügt er hinzu.
Mittlerweile werden 30 Liegenschaften mit Fernwärme versorgt. Darunter nicht nur Einfamilienhäuser, auch Mehrfamilienhäuser oder das Schulhaus Heslibach und dessen Turnhalle sind als Grosskunden an das Netz angeschlossen. Zudem konnten die Werke am Zürichsee die vertragliche Zusicherung von 64 weiteren Kunden erhalten. Bis diese ans Netz gehen, könnte es je nach Kunde noch dauern. Einige Vertragspartner hätten beispielsweise eine neue Heizung, welche sie sinnvollerweise nicht direkt ersetzen wollen, so Geschäftsleiter Rolf de Pietro. Wenn sie alle Fernwärme beziehen, ist 75 Prozent der angestrebten Endleistung erreicht. Eine Erweiterung des bestehenden Gebietes ist gemäss de Pietro nicht geplant. Für dies reiche das Potenzial der Abwärme des Klärwassers nicht aus.
Schweizweit wird Fernwärme gemäss Zahlen vom Bundesamt für Statistik für knapp 5 Prozent der Heizsysteme verwendet. Die Wärmequellen sind dabei unterschiedlich. So wird beispielsweise die Abwärme von Müllverbrennungsanlagen, Kernkraftwerken oder Holzverbrennungsanlagen verwendet. Auch fossile Energieträger dienen, wenn auch als weniger umweltfreundliche Variante, als Wärmelieferanten für Fernwärme. Mit einer Länge von 160 Kilometern besitzt die Stadt Zürich gemäss eigenen Angaben das zweitlängste Fernwärmenetz des Landes. Sie nutzt dabei hauptsächlich die Abwärme der Kehrichtverbrennung. (Yannick Schenkel)