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«Ist Küsnacht zu einseitig aufgestellt?»

Erstellt von Lorenz Steinmann |
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Für den Sitz des vorzeitig zurückgetretenen Urs Esposito bewerben sich Thomas Bürgin (parteilos), Claudio Durisch (parteilos) und Lilly Otth (SVP). An einer Diskussion nahm sie Manuela Moser, aber auch das Publikum, in die Zange. 

Am 18. Juni kommt es zur Ersatzwahl des vorzeitig zurückgetretenen Urs Esposito. Der parteilose, eher links politisierende Esposito trat nach lediglich sechs Monaten  als Küsnachter Gemeinderat (Ressort Tiefbau und Sicherheit) wieder zurück. Offizieller Grund: Die Gesundheit und die zeitliche Belastung. Nun treten drei Personen an, die durchaus das politische und gesellschaftliche Spektrum abbilden: Es sind dies Thomas Bürgin (parteilos), Claudio Durisch (parteilos) und Lilly Otth (SVP). 

Am Mittwoch fand dazu ein Podium statt, das von Manuela Moser vom «Küsnachter» moderiert wurde. Ein Votum aus der Leserschaft brachte einen nicht unwesentlichen Vorbehalt auf den Punkt: Bestehe nicht die Gefahr, dass Küsnachts Gemeinderat, also die Exekutive, politisch zu einseitig aufgestellt sei? «Bürgerliche Monokultur tut der Gemeinde nicht gut», so die kritische Stimme. 

Für Lilly Otth ist ganz klar: «Es gibt keinen zu bürgerlichen Gemeinderat.» Sie betont aber selbstredend, dass es mehr Frauen brauche. Aktuell ist das Verhältnis Mann/Frau im Gemeinderat 4:2. Otth stellt zudem fest, dass es aktuell keine Naturwissenschaftlerin habe in der Exekutive (sie selber ist 39-jährige Chemikerin mit ETH-Doktorat) und der Altersdurchschnitt eher hoch sei. 

Claudio Durisch (53) findet leicht launisch, zu homogene Gremien seien anfällig auf den Befall von Schädlingen. «Man verliert den Bezug zum Rest des Dorfes», so der gelernte Architekt, der bei der Stadt Zürich im Immobilienbereich arbeitet. Sein politisches Profil (smartspider) rückt ihn in die Nähe der GLP.

Thomas Bürgin (51) stellt fest, dass sich «tatsächlich eine politische Einseitigkeit entwickelt» habe in Küsnacht. Der Mittelstand müsse sich doch noch eine Wohnung leisten können im Dorf. «Wir brauchen die ganze Vielfalt», so der ehemalige  Feuerwehrkommandant von Küsnacht und heutige Berufsschullehrer.

Doch wie unterscheiden sich die drei Kandidierenden bei Ansichten, die Auswirkungen aufs Leben in Küsnacht haben könnte? 

Zwei dafür, einer dagegen

Auf die Frage, wie sie es mit Steuersenkungen haben, antworteten Lilly Otth und Claudio Durisch positiv. Für Otth ist klar, dass nach den rekordhohen Grundstücksteuereinnahmen eine Steuersenkung nötig sei. Durisch fügt an, dass keine Angebote gekürzt werden dürften. Bürgin hingen ist gegen Steuersenkungen. «Wir investieren lieber in Infrastrukturen», alles würde sonst teurer und die Vereine hätten noch mehr Mühe, Leute mit Führungsfunktionen zu übernehmen. 

Auch Punkto Gesundheitsnetz-Auslagerung, jene Vorlage, die am 18. Juni ebenfalls vor Volk kommt, gehen die Meinungen auseinander.  Die SVP-Vertreterin Lilly Otth stimmt ja. Die Ausgliederung des Elektrizitätswerks habe auch gut geklappt. Mit dieser Rechtsform sei es einfach, mit Tempo auf die Bedürfnisse zu reagieren. Zudem sei so einfacher, eine Geschäftsleitung mit Fachwissen zusammenzustellen, etwas, was etwa bei der Schulpflege schwierig sei. Otth betont weiter, dass die Partizipation vorbildlich gewesen sei seitens der Gemeinde. «Man konnte sich einbringen.» Das findet auch Thomas Bürgin, der ebenfalls für diese gemeinnützige AG ist. «Die Kritik der Gegner wirkte, die Gemeinde ging auf die Initianten zu», ist Bürgin überzeugt. 

Gegen die Auslagerung ist aber Claudio Durisch. «Es kann doch keine Grundhaltung sein, dass man Aufgaben ausgliedert, nur weil man Angst davor hat», so seine pointierte Meinung. «Wieso reicht ein Beirat nicht?», fragt er rhetorisch. Die Coronakrise sei mit unserem Milizsystem  bestens gemeistert worden, so Durisch.

Immer wieder ein Thema ist die geplante Brücke im Küsnachter Tobel. Wie schätzen Otth, Durisch und Bürgin das Projekt ein? Richtig glücklich wirkt niemand bei diesem Thema. Claudio Durisch wie auch Thomas Bürgin erachten den neuen Standort 200 Meter weiter oben als ursprünglich geplant als «suboptimal». Durisch betont gleichwohl die grosse Attraktivität für Küsnacht. Bürgin bedauert, dass man beim alten Standort quasi ebenerdig zur Brücke gelangen konnte, ein Vorteil für Gehbehinderte: «Ich würde die Brücke als Gemeinderat aber unterstützen.» Otth erinnert daran, dass es ein Geschenk war, die eine Million Franken für den Bau. Sie könne damit leben, auch wenn das Problem des Landschaftschutz da sei. aber: «Windräder sind viel schlimmer, ich bin dagegen, dass auf der Forch welche gebaut werden», warf sie ein.

Die Bellerivestrasse

In Rage redete sich Lilly Otth dann beim Thema Bellerivestrasse. Der geplante (und mittlerweile von der Kantonspolizei abgelehnte) Spurreduktionsversuch auf dem Gebiet zwischen dem Bahnhof Tiefenbrunnen und dem Bellevue lehnt sie entschieden ab. Man schaue aus Prinzip keine Alternativen an, kritisiert sie die Stadt Zürich. Zudem erinnerte sie daran, dass ein Spurabbau gemäss der Kantonsverfassung verboten sei. 

Ebenfalls dagegen spricht sich Thomas Bürgin aus. Eine Spur weniger sei utopisch. «Das kommt nicht gut, zwei Spuren müssen bleiben», so Bürgin. Etwas pragmatischer sah Claudio Durisch die Sache. Tatsache sei, dass die Bellerivestrasse sehr sanierungsbedürftig sei. Um diese Arbeiten komme man nicht herum. «Es ist ein Experiment und bei extremem Stau würde die Stadt den Versuch abbrechen», betonte Durisch. Er skizzierte die Idee, morgens zwei Spuren in die Stadt offen zu halten und abends dann zwei Spuren in Richtung Küsnacht. Etwas, was erstaunlicherweise bis jetzt nicht ernsthaft diskutiert wird von den Planerinnen und Planern. 

Der von Manula Moser umsichtig, aber  hartnäckig nachfragend geleitete Abend brachte doch einige Erkenntnissse rund um die Kandidaturen. Bei Thomas Bürgin spürte man seine Eloquenz, die er sich als langjähriger Feuerwehrkommandant erarbeitet hat. Claudio Durisch punktete durch seine Gelassenheit, die er sich in der doch recht grossen Stadtzürcher Verwaltung mit zwei komplett unterschiedlichen Chefs (Martin Vollenwyder/FDP und Daniel Leupi/Grüne) angeeignet hat. Und Lilly Otth brachte ihre Voten erfrischend kurz und klar auf den Punkt, im Sinne einer rational handelnden Naturwissenschaftlerin. 

Ein spezielles Lob gebührt RotGrünPlus für die Organisation des ersten und einzigen Podiums im Vorfeld der Wahlen in zehn Tagen. Der erfreulich volle Saal war ein grosser Lohn für ihren Effort.

 

Das wird vom neuen Gemeinderats-Mitglied erwartet

Im Vorfeld des von RotGrünPlus Küsnacht organisierten Podiums fragte die Diskussionsleiterin Manuela Moser (sie ist Chefredaktorin dieser Zeitung) bei Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP) nach, was denn die Anforderungen seien ans neue Exekutivmitglied. Also rein praktische Anforderungen, damit man nachher nicht erstaunt sei, wie fordernd das Exekutivamt sei. Laut Markus Ernst muss man als zentalen Punkt genug Zeit einrechnen für das Amt. Es geht um gegen 600 Arbeitsstunden, davon etwa 200 den Tag über. Das ist etwa ein 30-Prozentjob, der mit 38 000 Franken (Stundenlohn gut 60 Franken) aber ganz ordentlich entlöhnt wird. Erwartet wird, dass man oft auch abends an Sitzungen und Versammlungen anwesend ist. Erwünscht ist zudem die Freude an der Teamarbeit und das Interesse an verschiedenen Themen. Konkret ist das aktuell vakante Ressort mit dem Tiefbau und der Sicherheit sehr breit gefächert. Sowohl Thomas Bürgin, als auch Claudio Durisch und Lilly Otth bekräftigten am Podium, dass sie im Falle einer Wahl das Zeitmanagement im Griff und sich mit ihrem privaten Umfeld abgesprochen hätten. (ls.)