Krisen wie beispielsweise die Corona-Pandemie können suizidale Verhalten begünstigen. Der Gemeinderat Küsnacht hat das Programm «Heb der Sorg!» lanciert – junge Menschen stehen dabei besonders im Fokus.
Auf der leeren Sportanlage Heslibach filmt Regisseur Gianluca Trezzini zwei Jugendliche. Vincenzo Togni und sein Freund Maximilan Duss sitzen auf der Tribüne und blicken auf die Tartanbahn. Hier, wo sie sonst oft Fussball spielen, stellen sie sich heute den Fragen von Projektleiterin Romina Häner, die gemeinsam mit Trezzini das Video dreht.
Es sind tiefgründige Fragen. Denn die Themen «psychische Gesundheit» und «Suizid» sind in der Gesellschaft noch immer ein Tabu. «Wir möchten vermitteln, dass man über Gefühle sprechen kann. Dass es eine Stärke ist, wenn man Schwäche zeigt», so Häner. Das Video ist Teil des Programms «Heb der Sorg!» des Küsnachter Gemeinderats.
Empathie zeigen ist zentral
Auslöser für das Programm war ein persönliches Erlebnis der Küsnachter Gemeinderätin Pia Guggenbühl: Vor gut
einem Jahr verlor sie eine ihr nahestehende Person durch einen Suizid. Daraufhin schlug Guggenbühl, Vorsteherin des Ressorts Gesellschaft, ein Programm für psychische Gesundheit und Suizidprävention vor. Damit rannte sie offene Türen beim Gemeinderat ein.
Doch bevor sich das Programm an die Bevölkerung richten sollte, wurde eine erste Veranstaltung in der Gemeindeverwaltung durchgeführt. Wie kommt es zu psychischen, wie zu suizidalen Krisen? Und wie kann man diese erkennen? Suizidpräventionsexperte und Psychologe Gregor Harbauer, der das Programm begleitet, vermittelte zentrale Fakten. Insbesondere: Bei suizidalen Krisen an die Vernunft zu appellieren, hilft wenig, Empathie zu zeigen, dagegen viel.
«Sunnemetzg» unterstützt Junge
Mit dem Programm will der Gemeinderat das Rad nicht neu erfinden, sondern auf bestehende Angebote, Initiativen und Kompetenzträger verweisen, beispielsweise Die Dargebotene Hand, Pro Juventute oder Samowar. Weiteres Ziel ist es, die Personen zu verlinken, die sich für psychische Gesundheit engagieren. Aus diesem Grund spannte die Freizeitanlage Sunnemetzg mit den beiden Landeskirchen zusammen.
Erstes Projekt ist das Video, bei dem die beiden Freunde Vincenzo und Maximilian gemeinsam mit weiteren Jugendlichen mitmachen. Es soll vor allem in den sozialen Medien, also nahe bei den Jugendlichen, Aufmerksamkeit schaffen. Um für Jugendliche – trotz Corona – ein offenes Ohr zu haben, war der Küsnachter Jugendtreff während der Pandemie stärker auf Social Media präsent. Ein Angebot ist das Jugendbüro, das Jugendlichen und Eltern bei Themen wie Suizid, Sucht oder Gesundheit Beratungsangebote vermittelt.
Corona führt zu suizidalen Krisen
Für Guggenbühl ist klar: «Corona hat die Thematik der psychischen Gesundheit noch stärker ins mediale Licht gerückt: Schwere Depressionen nahmen massiv zu.» Die Belastung ist da – deshalb sei es wichtig, darüber zu sprechen. «Unser Aktionsplan ist niederschwellig und will alle Altersgruppen ansprechen.»
Suizide führen in der Schweiz jährlich zu mehr Todesfällen als der Strassenverkehr, Aids und Drogen zusammen. Obwohl die Suizidzahlen schweizweit leicht rückläufig sind, nahmen sich im Kanton Zürich von 2011 bis 2017 im Durchschnitt 170 Menschen pro Jahr das Leben – assistierte Suizide sind nicht eingerechnet. Suizidversuche sind bei Jugendlichen, insbesondere Männern, besonders häufig. Guggenbühl will das Thema weiterverfolgen und auch auf Bezirksebene angehen. Die Sozialvorständekonferenz Meilen hat bereits Interesse gezeigt.