Kurz vor sieben, Zeit zum Aufstehen. Ich öffne das Fenster, begrüsse den Tag – er verspricht heiter zu werden, ein Tag im Vorfrühling. Einer, wie er gestern schon war und morgen wieder sein wird. Weich strömt das Morgenlicht herein. Am Horizont steht die weisse Kulisse der Berge. Im Garten spriessen die Primeln. Auf der Strasse führt der Nachbar Clooney spazieren, seinen sanftmütigen Schäferrüden.
Mir fällt auf, dass schon lange kein Flugzeug mehr im Landeanflug übers Dach gedüst ist. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen – und schon schiesst dieser alarmistische Gedanke durch den Kopf: Falsch! Du darfst dir nicht ins Gesicht greifen. Hat der Bundesrat gesagt. Schon gar nicht mit ungewaschenen Händen. Händewaschen ist das Gebot der Stunde – noch vor dem Zähneputzen.
Es muss ein Traum gewesen sein, einer von der Sorte, die man am liebsten gleich wieder vergessen möchte – und die sich gerade deshalb so hartnäckig im Kurzzeitgedächtnis einnisten. Wie ein Virus, das sich an der Bronchialzelle andockt. Oder war es ein Film? Einer dieser Horror-Sciencefiction-Streifen, die so schlecht sind, dass sie erst nach Mitternacht programmiert werden, meistens in einen Albtraum münden – und manchmal kein Ende finden.
«Sieben Uhr. Radio SRF 1. Nachrichten.» Steil ansteigende Infektionskurven, tief abstürzende Börsenkurse. Militär in den Spitälern, zehn Milliarden Soforthilfe für die Wirtschaft. Die Playoffs haben ausgespielt, König Fussball hat abgedankt. Annullationen statt Sportresultate. Die Schulen geschlossen, der Zoo auch, selbst bei Oma und Opa sind die Türen zu. Der Zirkus wird auch nicht kommen. Nur der Böögg hat gut lachen; er wird nicht hingerichtet. Und jenseits vom Atlantik ruft der Narr im Weissen Haus sich selbst aus. Nationaler Notstand.
Nein – es ist kein böser Traum. Auch kein schlechter Film. Dieser Morgen ist alles andere als heiter.
Es ist Corona. Irgendwo da draussen. Wahrscheinlich überall.
Ich schliesse das Fenster. Und wasche mir die Hände. (Daniel J. Schütz)