Das erste Mal aufgefallen ist es mir am Tag der offenen Tür. Da, wo das Kunsthaus noch leer war und für die Bevölkerung geöffnet worden ist. In den einzelnen Räumen waren grosse Glocken, so etwas wie Kirchenglocken, installiert. Die Glocken wurden in regelmässigen Abständen von einem Klöppel angeschlagen. Dieser Glockenschlag hallte dann andächtig durch die leeren Räume.
Was es war, habe ich damals aber noch nicht erkannt.
Er gefällt mir nicht wirklich
Letzten Sonntag bin ich wieder hin, ins neue Kunsthaus. Nach einigen Widerständen, weil mir der Chipperfield-
Bau von aussen nicht wirklich gefällt und mir die Diskussion über die Bührle-Sammlung auch nicht passt. Was mir diesmal aber aufgefallen ist und was ich eigentlich schon beim ersten Mal hätte erkennen müssen: das Sakrale des Hauses. Es ist kein freudiger Ort, kein kreativer Ort, kein Ort des Ideenaustausches und der Inspiration, es ist ein heiliger Ort.
Muss der Weg beschwerlich sein?
Das Heilige zeigt sich an vielem: Die Eingangstüre ist riesig und schwer, die Eingangshalle auch riesig und die Treppe hinauf in die Ausstellung nicht nur riesig, sondern auch steil. Als ob der Weg hinauf zur Kunst beschwerlich sein muss, der demütig und reuig begangen werden soll. Auch die Fensterfronten sind riesig und scheinen alle mit massiven Gitterstäben gesichert. Hier drin findet Kunst statt, wertvolle Kunst.
Die Liste der Donatoren
Und dann die Wand. Links vom Treppenaufstieg, auch sie riesig. An dieser Wand dann die Inschrift. In Gold, mysteriös und nur schlecht lesbar. Die Liste der Donatoren. Die also, die dieses heilige Haus ermöglicht haben und denen gegenüber wir alle dankbar sein sollten. Nur dank ihnen wurde dieses riesige Haus möglich.
Die Wand und die Liste haben mich an eine Kirche erinnert. Mit den Donatoren als Chorherren, den Kunstwerken als Insignien und den Besuchern als demütige Gläubige. Gehet hin und seid dankbar.
Nicht heilig, demokratisch
Für mich aber sollten Kunsthäuser nicht heilig, sondern offen und demokratisch sein. Sie sollten möglichst vielen den Zugang zur Kunst ermöglichen und auch erleichtern. Nicht der demütige Zugang sollte im Zentrum stehen, sondern vielmehr der freudige Austausch mit der Kunst. Kunst als ein Teil von uns allen und nicht das Privileg von wenigen.
Mit unserem jüngsten Sohn Allan gehe ich regelmässig in Kunsthäuser. Kunst interessiert uns. Ganz locker, ganz entspannt schlendern wir dann durch die Ausstellungsräume, bleiben hin und wieder vor einem Bild stehen und fragen uns: «Und, wie find’sch?»
Dann reden und diskutieren wir über das Bild, nicht andächtig und devot, nicht laut, aber auch nicht leise, sondern offen, interessiert und manchmal auch engagiert. Ins neue Kunsthaus würde das nicht recht passen – und das finde ich schade.
David Guggenbühl
David Guggenbühl (62) wohnt mit seiner Familie in der Zürcher Altstadt. Seit 1993 ist er Inhaber der Kommunikationsfabrik AG.
Im Kirchenkreis 1 ist er fürs Ressort Kommunikation und Innovation zuständig. Diese Kolumne entspricht seiner persönlichen Ansicht und muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.