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Küsnacht bleibt von Armut verschont

Erstellt von Karin Steiner |
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Die Corona-Pandemie hat viele Menschen in die Armut getrieben. Küsnacht ist bis jetzt mit einem blauen Auge davongekommen, nicht zuletzt deshalb, weil der Gemeinderat für das lokale Gewerbe einen Nothilfekredit bewilligt hat. Doch Hilfsorganisationen bekommen die Not schweizweit zu spüren.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben viele Menschen in finanzieller Hinsicht knüppelhart getroffen. Doch das Sozialamt von Küsnacht bekommt die Auswirkungen bisher kaum zu spüren. «Bis anhin haben aufgrund von Corona nur einzelne Personen Sozialhilfe beantragt», sagt Pia Guggenbühl, Gemeinderätin und Vorsteherin des Ressorts Gesellschaft. Auch Beratungsgespräche hätten nicht vermehrt geführt werden müssen. «Der Grund ist, dass zuerst die vorgelagerten Unterstützungssysteme zum Zug kommen wie Arbeitslosenversicherung oder Erwerbsersatz für Selbstständige.»

Ein Grund dürfte aber auch sein, dass der Gemeinderat Küsnacht für das lokale Gewerbe, welches infolge von Corona in finanzielle Bedrängnis gerät, einen Nothilfekredit von 300 000 Franken bewilligt hat. «Küsnacht soll sich auch nach der Coronavirus-Krise als attraktive und lebenswerte Gemeinde präsentieren», so Pia Guggenbühl. «Das Gewerbe beziehungsweise die Dienstleistungsbetriebe tragen einen wesentlichen Anteil dazu bei. Die Nothilfe soll rasch und unkompliziert erfolgen und dort ausgerichtet werden, wo anderweitige Unterstützung gar nicht, nicht in genügendem Umfang oder zu wenig rasch erfolgt.»

Überbrückungshilfe ist gefragt

Für viele Menschen mag die Hilfe des Bundes noch ausreichen, doch bei weitem nicht für alle. Denn dass der Gang auf das Sozialamt für Menschen in Not oft erst der letzte Schritt ist, wenn es nicht mehr anders geht, zeigt die Nachfrage bei verschiedenen Hilfsorganisationen. «Wir werden im Moment fast überrannt mit Anfragen und Gesuchen», sagt beispielsweise Daniel Römer, Geschäftsleiter der Winterhilfe Kanton Zürich. «Vom 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020 hatten wir 2511 Gesuche, seit 1. Juli bis heute bereits gegen 2300 – das sind fast so viele wie gewöhnlich in einem ganzen Jahr.» Dass dieser ­gesteigerte Notstand mit der Pandemie zusammenhängt, steht fest: «Rund 500 Gesuche waren explizit wegen Corona, zum Beispiel weil der 80-Prozent-Lohn bei Kurzarbeit nicht mehr ausreichte. Darunter waren auch viele selbstständig Erwerbende, die zwischen Stühle und Bänke gefallen sind, wie etwa Taxifahrer, Besitzer sehr kleiner Gastrounternehmen oder Personen, die im Stundenlohn angestellt sind und gar keine Arbeit mehr haben.»

Relativ unbürokratische Hilfe

Die Betroffenen hoffen alle, dass die Krise bald vorbei ist und sie wieder ihrer gewohnten Erwerbstätigkeit nachgehen können. «Der Gang aufs Sozialamt fällt den meisten Leuten schwer. Zudem haben Ausländerinnen und Ausländer oft Angst, ihre Aufenthaltsbewilligung zu verlieren, wenn sie Geld von der Gemeinde einfordern.»

Die Winterhilfe bietet rasch und relativ unbürokratisch Hilfe, wenn Armutsbetroffene Rechnungen wie etwa die Miete, Arztkosten oder Krankenkassenprämien nicht mehr bezahlen können. «Ganz ohne Formulare geht es auch bei uns nicht, aber innerhalb von zwei Tagen bis zu einer Woche bekommen die Leute die Unterstützung.» Oft sind das einmalige Gelder, die gesprochen werden. Die Idee dahinter ist, dass jeder Mensch einmal in eine Notlage geraten kann. «Wir überbrücken solche Krisen, damit nicht gleich staatliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss.» Für Kinder und Jugendliche aus armutsbetroffenen Familien gibt es ein spezielles Programm, das ihnen über längere Zeit ein Hobby ermöglicht. Die Winterhilfe wird vorwiegend über Spenden finanziert. «Manche Betriebe, die wegen der Pandemie auf ihr Weihnachtsessen verzichten mussten, haben uns den entsprechenden Betrag gespendet», erzählt Daniel Römer. Daneben wird in jedem Bezirk des Kantons Geld gesammelt, das dann wiederum für die Bewohnerinnen und Bewohner des jeweiligen Bezirks eingesetzt wird.

Prekäre Arbeitsverhältnisse

Auch bei der Caritas sind die Anfragen von Menschen in Not seit Beginn der Corona-Krise stark angestiegen. «Trotz umfangreicher Hilfspakete von Bund und Kantonen gibt es eine grosse Gruppe von Betroffenen, die in Notlage geraten und auf Unterstützung angewiesen sind», sagt Andreas Reinhart, Mediensprecher der Caritas. «Es sind dies vor allem Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen mit Temporärjobs, Arbeit auf Abruf oder im Stundenlohn, Selbstständige mit geringem Umsatz wie Coiffeure oder Taxifahrer sowie Personen ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Die Anfragen in unserer Kurzberatung stiegen 2020 im Vergleich zu 2019 um 25 Prozent.» Oft seien auch Familien betroffen. «Vielen Menschen, die sich bisher aus eigener Kraft ihre Existenz sichern konnten, gelingt dies seit Beginn der Corona-Krise nicht mehr. Sie geraten oft zum ersten Mal in eine finanzielle Notlage und können Rechnungen für Miete, Krankenkasse, Steuern und vieles mehr nicht mehr bezahlen. Manchen fehlt es sogar an Geld für Lebensmittel.» Dank der Glückskette konnte die Caritas bis jetzt gegen 225 000 Franken für solche Fälle aufwenden. Bevor Hilfe überhaupt möglich ist und Rechnungen übernommen werden, wird die finanzielle Situation begutachtet. «Grundsätzlich soll immer auch geprüft werden, ob Ansprüche auf staatliche Leistungen bestehen, und diese sollen auch geltend gemacht werden», so Andreas Reinhart. «Ziel soll eine langfristige Existenzsicherung sein.»

Anstieg um 50 Prozent

Auch die Heilsarmee hat die Folgen der Pandemie stark zu spüren bekommen. «Wir sehen einen Anstieg der Nachfrage um mindestens 50 Prozent», sagt Mediensprecherin Christine Volet. «Viele Menschen, die schon vor der Pandemie in einer prekären Situation waren, befinden sich heute in Armut. Betroffen sind vor allem Arbeitslose, Leute, die im Stundenlohn angestellt sind, und Alleinerziehende.» Die Heilsarmee bietet nicht nur finanzielle Überbrückungshilfe an, sondern unterstützt auch mit Mahlzeiten, Lebensmittelabgaben und Obdachlosenunterkünften die Betroffenen in der ganzen Schweiz. Menschen in Not aus der Region Zürich bekommen bei der Sozialberatungsstelle in der Stadt Zürich (Luisenstrasse 23) Unterstützung, und es wird gemeinsam nach Lösungen gesucht. Die Heilsarmee bekam 2020 Unterstützung von der Glückskette und sammelt ansonsten selber Geld mit der Topfkollekte. «Die Heilsarmee versucht, eine Lücke im Sozialsystem zu füllen», so Christine Volet. «Auch deshalb, weil die meisten Menschen den Gang aufs Sozialamt unter allen Umständen vermeiden wollen.»

Auch die Gemeinde hilft

In manchen Fällen ist dieser jedoch unumgänglich – und das so schnell wie möglich. «Wenn Privatpersonen ihre Rechnungen, insbesondere Mietzins und Krankenkasse, nicht mehr bezahlen können, sollten sie sich umgehend an unsere Sozialhilfe wenden», rät Pia Guggenbühl. «Denn die Sozialhilfe übernimmt keine Schulden, das heisst in der Regel auch keine Mietzinsschulden. Deswegen ist es wichtig, dass betroffene Personen sich rasch melden und sich nicht verschulden. Das würde die Probleme nur verschärfen.»

 

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Beim Kanton Zürich hat die zweite Zuteilungsrunde begonnen

Die Anmeldefrist für die erste Zuteilungsrunde der Härtefallhilfe des Kantons Zürich ist abgelaufen. Insgesamt sind über das Onlinetool der Finanzdirektion mehr als 800 Gesuche eingegangen. Beantragt wurden 104 Millionen Franken nicht rückzahlbare Beiträge und Darlehen von 48 Millionen Franken. Zurzeit ist die Prüfung der Gesuche im Gange. Verstreicht die 60-tägige Referendumsfrist ungenutzt, ist eine Auszahlung der Beiträge ab Mitte Februar möglich.

Insgesamt haben 808 Unternehmen bei der Finanzdirektion ein Gesuch eingereicht. Sie mussten aufgrund der vom Kantonsrat verschärften Bedingungen einen pandemiebedingten Umsatzverlust von mindestens 50 Prozent nachweisen. Die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller stammen aus den verschiedensten Branchen, mit einem deutlichen Schwergewicht bei Reisen, Tourismus, Transport, Gastronomie, Hotellerie, Event, Catering und Schaustellerei sowie Fitness und Freizeit. Erwartungsgemäss beantragte die grosse Mehrheit der Gesuchstellenden, nämlich 782, einen nicht rückzahlbaren Beitrag (à fonds perdu). 302 der 808 Unternehmen beantragten gleichzeitig auch ein Darlehen.

Das von der Finanzdirektion entwickelte Onlinetool prüfte schon bei der Gesuch­eingabe, ob die wichtigsten finanziellen Vorgaben der Covid-19-Härtefallverordnung des Bundes eingehalten sind. Die erste Sichtung der Gesuche zeigt, dass einige Gesuchsteller die entsprechenden Grenzen nicht berücksichtigen wollten und gewisse Eingaben so angepasst haben, dass das Resultat ihren Wünschen entsprach. Für die zweite Gesucheingabe erinnert die Finanzdirektion deshalb daran, dass nur wahrheitsgemässe und den Kriterien entsprechende Gesuche berücksichtigt werden.

Bereits jetzt steht aufgrund des An­tragsvolumens fest, dass nicht die gesamten vom Kantonsrat bewilligten Beitrags- und Kreditsummen der ersten Zuteilungsrunde beansprucht werden. Das bedeutet, dass die verbleibenden Mittel der zweiten Zuteilungsrunde zugewiesen werden können. Wie viel genau dafür zur Verfügung steht, wird sich weisen, wenn die definitive Vergabesumme feststeht.

Bei der zweiten Zuteilungsrunde werden mildere Kriterien gemäss den Vorgaben des Bundes gelten, nämlich entweder ein Umsatzverlust von mindestens 40 Prozent oder eine 40-tägige, behördlich verordnete Schliessung seit dem 1. November 2020. Die Finanzdirektion rechnet deshalb mit Tausenden von Gesuchen und hat die Kapazitäten des Onlinetools entsprechend angepasst. Die verlangten Unterlagen können seit einiger Zeit abgerufen werden via www.zh.ch/haertefall. Anders wird bei der zweiten Zuteilungsrunde auch sein, dass die Beiträge nicht erst ausbezahlt werden, wenn alle Gesuche behandelt sind, sondern einzeln nach der Reihenfolge ihres Einganges. Das Gesuchsportal wird bis am Sonntagabend, 21. Februar, geöffnet sein. (pd.)