Im Waldgebiet des Küsnachter Tobels sind vergangene Woche grössere Forstarbeiten abgeschlossen worden. Dass bei dieser Aktion viele Bäume gefällt wurden, missfällt der Küsnachterin Gabriele Roselius. Sie ist Mitgründerin der neuen Bewegung «Waldkrone».
Unterhalb der Burgruine Wulp auf dem Vitaparcours haben Förster bis vergangenen Freitag den Küsnachter Wald gelichtet. Ziel der Holzfällaktion war es – so von offizieller Seite her –, seltenen Pflanzen eine Möglichkeit zu geben, wachsen zu können. Auf diese Weise soll der Wald artenreicher werden, wie noch vor 100 Jahren. «Im Küsnachter Tobel ist die Waldwirtschaft wegen der steilen Hänge sehr aufwendig und gefährlich», sagt Revierförster Manuel Peterhans. In andern Wäldern würde eine Fällaktion alle sechs Jahre stattfinden, hier eher seltener. Grundsätzlich würden heute aber insgesamt weniger Bäume gefällt. «In der Schweiz wird rund ein Drittel des nachwachsenden Holzes nicht genutzt. Das heisst, unsere Wälder werden immer dunkler, die Verjüngung kann sich nicht einstellen, und alte Bäume sind anfälliger auf Sturm, Trockenheit und Schädlinge.» (Siehe auch Interview rechts.)
Bäume dienen dem Klimaschutz
Für die Küsnachterin Gabriele Roselius ist die aktuelle Fällaktion trotzdem schlimm genug. Sie ist grundsätzlich gegen das Fällen von Bäumen. Bereits im März dieses Jahres hat sie deshalb die kantonale Organisation «Waldkrone» mitbegründet und um die 400 Unterstützende dafür gefunden. Sie spricht von einem «Kahlschlag» am Küsnachter Tobel und informiert auf der entsprechenden Website waldkrone.org zum Thema. Die «Waldkrone» ist ein Zusammenschluss von besorgten Bürgerinnen und Bürgern vorwiegend aus Küsnacht, dem Pfannenstiel, aus Erlenbach und Zollikon, der sich nach eigenen Angaben für den Waldschutz und gegen eine zu starke Waldbewirtschaftung einsetzt.
«Man baut eine Landschaft zurück, die vor 200 Jahren existierte. Damals waren die Durchschnittstemperaturen tiefer im Sommer», erklärt Roselius. Heutzutage habe man aber deutlich häufiger heissere Spitzenwerte von bis zu 36 Grad. «Wir müssen schauen, dass die Kronendächer maximal geschlossen sind, sonst trocknet der Waldboden aus.» Ausserdem gebe es heute grössere Abstände der Regenfälle und auch heftigere Niederschläge. «Der Waldboden ist wie ein riesiger Schwamm, der das ganze gesammelte Wasser auch durch die komplexen Wurzelsysteme aufsaugt», sagt Roselius weiter. Je mehr Bäume es gebe, desto besser verteile sich das Regenwasser, was wiederum Überschwemmungen entgegenwirken kann.
Kühleres Gesamtklima
Bäume mit starkem Wurzelwerk würden den Hang vor dem Abrutschen sichern, so Roselius. Ausserdem seien sie die einzigen CO2-Wandler und Sauerstoffproduzenten – denn Bäume tragen zu einem kühleren Gesamtklima bei.
«Der Wald ist unserer grüne Lunge», sagt die Initiantin der Petition «Schützt die Wälder im Kanton Zürich». Jetzt würde man zwanghaft versuchen, einen dünn besiedelten Wald in einem Tobel aufzubauen, wo eigentlich eine gesunde Biomasse vorhanden sei, kritisiert die Küsnachterin weiter. «Generell fehlen immer mehr starke Bäume in unseren Wäldern, und der Staatsforst sieht aus wie ein Baumacker.» Der Klimawandel fordere einen anderen Umgang mit den Wäldern.
Führung im Frühling
Mit ihrem Anliegen ist Gabriele Roselius auch an den Revierförster Manuel Peterhans gelangt. Im Frühling gab es im
Vorfeld der eben abgeschlossenen Forstarbeiten deshalb eine persönliche Begehung. Zu dieser sind aber nur zwei Personen erschienen – Roselius selbst und eine zweite Person. «Wir waren nicht mehr, weil die Führung am Vormittag um 9 Uhr stattgefunden hat», bemängelt Roselius. Alle andern Interessenten hätten zur Arbeit gehen müssen. Das sei aber auch nicht weiter schlimm gewesen: «Wir vertraten die ‹waldkrone.org›, weil wir beide uns gut auskennen mit dem Wald.»
So sei ihre Begleitung eine Grosswaldbesitzerin und sei im Forstbetrieb gross geworden. Sie selber komme von der Klimaseite und sei selbst in Aufforstungsprojekte involviert. «Hätten sie uns als Frauen nicht so an der Nase herumgeführt», glaubt Roselius, «und uns erklärt, dass die Buche Borkenkäfer hätte und das Gewicht der Bäume zu Hangabrutschen führe, wären wir in Bezug auf unseren Aktivismus langsamer durchgestartet.» Der Förster und seine Mitarbeiter seien aber «entgegenkommend» gewesen. «Daran lag es nicht», betont Roselius, «aber die Führung überzeugte uns inhaltlich nicht.»
Sonst keine Kritik
Revierförster Peterhans stellt seinerseits fest, dass ausser von Gabriele Roserius keine einzige negative Reaktion zur aktuellen Fällaktion gekommen sei. «Einen Urwald, wie sich viele Leute die Wälder wünschen, gibt es in der Schweiz praktisch keinen mehr.» Dafür müsste man mindestens zwei oder drei Baumgenerationen sich selbst überlassen. Das heisst, bei uns könnte Urwald in spätestens 300 bis 400 Jahren entstehen.» Ein Baum werde hier ungefähr 200 Jahre alt, das heisst, was unsere Vorgänger gepflegt hätten, würden wir jetzt ernten. «Und was wir pflegen, ernten unsere Nachfolger.»
Die Bekämpfung der Borkenkäfer verteidigt der Förster: «Indem man die frisch befallenen Stämme aus dem Wald nimmt, kann man die Verbreitung der Käfer eindämmen. Kein Waldbesitzer mache aber freiwillig Borkenkäferbekämpfung, denn dies sei ein finanzieller Aufwand ohne Ertrag. «Jedoch ist diese Bekämpfung sehr solidarisch.» So bewahre ein Waldbesitzer, der einen Befall habe und seine befallenen Stämme möglichst schnell aus dem Wald transportiere, seinen Nachbarn vor dem gleichen Unglück. Die Gemeinde habe hier aber wenig in der Hand. «Der grösste Teil des Küsnachter Waldes ist in privatem Besitz, und nur ein ganz kleiner Teil gehört der öffentlichen Hand.»
Nachgefragt mit Manuel Peterhans (Revierförster, Küsnacht-Erlenbach/Herrliberg-Egg)
«Wir sorgen uns schon lange um das Klima »
Ein gesunder, natürlicher Wald reguliert sich alleine am besten. Stimmt das?
Wenn keine Ansprüche an den Wald gestellt werden, kann dies richtig sein. Wenn wir aber wollen, dass die verschiedene Funktionen – Schutzfunktion, Erholung – optimal erfüllt werden, ist Waldpflege wichtig. Wir haben in der Schweiz das älteste Waldgesetz aufs dem Jahr 1876, es gilt bis heute als internationales Vorbild für die Nachhaltigkeit. Waldbesitzer, die nicht nur wegen des Profits Holz schlagen, sondern für das Wohl des Waldes, haben einen viel gesünderen Wald. Wenn wir Holz schlagen, bringen wir Licht auf den Boden, somit kann sich in diesen Lichtschächten der Wald wieder natürlich verjüngen.
Der Küsnachter Wald sieht nach drei Wochen Forstarbeiten aber verwüstet aus.
Das kann ich so nicht bestätigen. Klar könnte man die Bäume mit einem Helikopter aus dem Wald fliegen, dann würde man gar nichts von den Waldarbeiten sehen, jedoch wäre das klimatechnisch ein absolutes «No Go». Die Bäume werden mit Hilfe eines Seilkranes, eigentlich einer Seilbahn, aus dem Tobel geholt. Da die Bäume in der Luft sind, ist dieses Verfahren sehr bodenschonend. Da Bäume ein gewisses Gewicht haben, kann man auch Spuren der Arbeiten sehen, jedoch entstehen diese auf den Waldstrassen und nicht im Wald.
Die kantonale Organisation «Waldkrone» kritisiert, dass das Bewusstsein für den Wald in Zeiten des Klimawandels fehle. Hinkt die traditionelle Forstwirtshaft den modernen Erkenntnissen hintennach?
Über die Themen des Klimawandels wird in der Schweiz schon seit den 1980er-Jahren geforscht, Stichwort Waldsterben. Jetzt ist es einfach in aller Munde. Bereits damals haben wir uns mit der Frage beschäftigt, welche Baumarten in unseren Wälder in Zukunft am besten geeignet sind. Wir betreiben eine moderne Forstwirtschaft nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Kahlschlag sei nur eine wirtschaftliche Massnahme, keine ökologische, sagen die Kritiker der aktuellen Fällaktion. Stimmt das Ihrer Meinung nach?
Diese Frage erübrigt sich, Kahlschlag ist schon seit jeher per Gesetz verboten. Wir haben in der Schweiz eines der strengsten Waldgesetze und werden auch dementsprechend kontrolliert. Ausserdem sind die meisten Waldbesitzer nach FSC zertifiziert, das heisst sie werden sogar noch strenger kontrolliert als es das Waldgesetz vorschreibt .
Was können Sie als erfahrener Förster zum Zustand des Küsnachter-Tobels sagen?
Das Küsnachter- Tobel ist ein einzigartiger- und biologisch sehr wertvolle Waldstandort. Wir haben dort Pflanzen, die in der ganzen Schweiz sehr selten sind. Dass es ein sehr wertvolles Tobel ist, sieht man auch in der Geschichte, so haben hier schon viele berühmte Biologen geforscht. Das Schöne am Küsnachter- Tobel ist, dass es seine Wildheit, trotz intensiver Nutzung durch Waldbesucher, immer noch bewahren konnte. Auch wurde es schon seit jeher gepflegt, gerade eben habe ich ein Heft aus dem Jahr 1939 studiert. Auch damals hat man schon im Tobel Waldpflege betrieben.Hätte man das nicht gemacht, würde das Tobel ganz anderes aussehen und auch viele dieser wertvollen Pflanzen wären ganz verschwunden. Manuela Moser