Der Küsnachter Weinbauer Diederik Michel brennt mit befreundeten Winzern aus Meilen hochprozentigen Alkohol, damit unter anderem die lokale Apotheke Hotz Desinfektionsmittel selber herstellen kann. In Zeiten von Corona ist das ein sehr knappes Gut.
Selbst in Apotheken ist schweizweit fast kein Desinfektionsmittel mehr erhältlich. Wie Schutzmasken gibt es davon seit Ausbruch der Corona-Krise zu wenig. Doch in verzweifelten Zeiten ist Kreativität besonders gefragt. Berufsmenschen, die sonst nichts miteinander zu tun haben, stehen plötzlich zusammen.
Arbeiten – Hand in Hand
Zum Beispiel Winzer und Apotheker. Denn beide brauchen den Alkohol, aber für verschiedene Zwecke. Der Erste für seine Getränke, der Zweite zur Herstellung seiner Desinfektionsmittel. Diederik Michel und sein Winzerkollege Alain Schwarzenbach und dessen Vater Hermann Schwarzenbach aus Meilen brennen heute statt des üblichen Kirschs und Zwetschgenschnaps nebenbei auch noch 75-prozentiges Ethanol. Eine Substanz, die als Desinfektionsmittel agiert. So liefern diese Winzer den lokalen Apotheken in Küsnacht und Meilen literweise Ethanol.
«In Küsnacht beliefern wir die Apotheke Hotz», sagt Michel, «für weitere Anfragen sind wir offen.» Philipp Bretscher, Geschäftsführer der lokalen Küsnachter Apotheke, sagt auf Anfrage, wie er dann mit der Substanz der Winzer sein Desinfektionsmittel herstellt: «Durch Zufügung von Kampfer und Glycerol sowie – für den Geschmack – eine leicht aromatisierte Essenz Lemongrass.»
«Der Mangel an Desinfektionsmittel soll dank uns behoben werden», sagen die kreativen Weinbauern. Alkohol vermischt mit Glycerin ergibt nämlich eine gelartige Konsistenz, die sich anschliessend als Desinfektionsmittel verkaufen lässt.
Die Luft ist dick im Brennraum auf Schwarzenbachs Weingut in Meilen, wo das Ethanol hergestellt wird. In den grossen Tanks brodelt es wie in einem Hexenkessel. Eine dunkelbraune Melasse aus Zucker und Wasser verwandelt sich in klaren, durchsichtigen Alkohol, ohne die geringste Spur des vorherig braunen Gebräus zu hinterlassen. Leicht süsslich und gleichzeitig abstossend durchbohrt der Geruch des Ethanols die Nasenhöhlen schon von weitem.
8000 Liter Ethanol
«Die Idee, eine Eigenproduktion an Ethanol herzustellen, kommt wie gerufen», meint Diederik Michel. Statt auf unzählige Lieferungen von Desinfektionsmittel zu warten, haben die Winzer und die Apotheker ihr Können perfekt vereint und mit viel Eigeninitiative gehandelt. Gemäss dem Meilemer Alain Schwarzenbach ist die Nachfrage nach Ethanol seit einigen Tagen enorm gestiegen. Apotheker aus der Region würden bis zu 8000 Liter Ethanol pro Tag kaufen.
Diese Menge werden die drei Winzer aber nicht bewältigen können. «Die Flüssigkeit ist bis Ende unseres Arbeitstags komplett ausverkauft.» Dabei haben die befreundeten Winzer nicht weniger als zwei Tonnen Zuckermelasse verarbeitet.
Das Virus komplett abtöten
«Es ist besonders wichtig, dass die starke Flüssigkeit bis zu 75 Prozent konzentriert ist», erklären die Winzer weiter. Nur so bestünde für das Virus keine Chance, auf den Handflächen der Menschen zu überleben. Der Grundstoff, den sie für die Gärung nutzen, ist nichts weiter als eben diese simple Melasse. Eine dickflüssige, braune Substanz, die in der Zuckerfabrik als Rest anfällt. Doch nun wirkt sie – vergoren und destilliert – als Rettungsmittel gegen Viren. Obwohl das Ethanol auch aus Wein oder Destillaten erzeugt werden kann, wäre es laut den drei Winzern schade und auch zu teuer, «da nehmen wir lieber die kostengünstigere Melasse.»
Erst nach einem wiederholten Destillationsprozess entsteht der erwünschte Anteil Alkohol, nämlich 75 Prozent. Bei der normalen Schnapsherstellung wäre der Alkoholgehalt nur rund 40 Prozent. «Wir destillieren unser Ethanol bis auf 75 Prozent, damit es garantiert alle Viren tötet», sagt Michel. Das lässt einen dann beruhigt den Wein, vom gleichen Gut, beim Abendessen geniessen. (Melanie Büchi)