Von Küsnacht in den Zürcher Regierungsrat: Gemeindepräsident Markus Ernst hat vergangene Woche seine Kandidatur bekannt gegeben. Ob ihn die FDP nominiert, ist bis zum 8. Februar noch offen. Sein Mitstreiter ist Peter Grünenfelder. Der Avenir-Suisse-Chef ist bekannter als Ernst, dafür politisch unerfahrener.
Die FDP hat im Februar 2023 Grosses vor: Sie will ihren zweiten Sitz im Zürcher Regierungsrat zurückgewinnen, den sie 2019 verloren hat – nebst der bisherigen Regierungsrätin Carmen Walker Späh wird nun auch Markus Ernst, Gemeindepräsident von Küsnacht, ins Rennen geschickt. Das heisst: Wenn die Delegierten ihm am 8. Februar den Vorzug geben. Denn mit Peter Grünenfelder kandidiert ein zweiter FDP-Mann um das Ticket. Letzterer dürfte als Avenir-Suisse-Chef bekannter sein, Ernst dafür als Gemeindepräsident und -rat mit vier Legislaturperioden erfahrener Exekutivpolitiker. Ernst nimmt im Gespräch mit dem «Küsnachter» Stellung zu seiner Kandidatur und sagt, was sich alles für ihn und das Dorf ändere, würde er denn gewählt.
Markus Ernst, Sie kandidieren für den Regierungsrat. Haben Sie nach 16 Jahren im Küsnachter Gemeinderat genug von der Lokalpolitik?
Der Entscheid, für den Regierungsrat zu kandidieren, ist alles andere als ein Entscheid gegen das Amt des Gemeindepräsidenten, sondern hat sich relativ kurzfristig aus der gegebenen Konstellation ergeben. In diesem Sinne gibt es durchaus Parallelen zu Ursula Gut (Anm. d. Red.: Parteikollegin Ursula Gut war wie Markus Ernst Gemeindepräsidentin von Küsnacht und wurde dann in den Zürcher Regierungsrat gewählt). Nach dem Motto «Wer nicht wagt, der nicht gewinnt» habe ich mich entschieden, mich zu bewerben, und habe die erste Hürde, die Nominierung durch den Parteivorstand zuhanden der Delegiertenversammlung, übersprungen.
Sie sagten, Sie passten gut als Ergänzung zu Carmen Walker Späh, und hätten sich nach Bekanntgabe ihrer Kandidatur im Dezember dazu entschlossen. Können Sie das etwas ausführen?
Zusammen mit Carmen Walker Späh sind fünf von sieben Regierungsräten aus den Städten Zürich oder Winterthur. Ich bin der Meinung, dass die Landgemeinden, welche zwei Drittel der Kantonsbevölkerung ausmachen, angemessen vertreten sein sollten. Auch ist die Geschlechterverteilung im Regierungsrat sehr ausgewogen. Und schliesslich stehe ich trotz vier Legislaturen in der Exekutive immer noch für eine jüngere Generation von Politikern.
Ihr Mitbewerber Peter Grünenfelder ist als Direktor von Avenir Suisse bekannter als Sie. Haben Sie eine Chance gegen ihn?
Als langjähriges aktives Mitglied der FDP kenne ich viele Delegierte persönlich. Was einen möglichen Wahlkampf anbelangt, gehe ich davon aus, dass sowohl Peter Grünenfelder als auch ich der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sind und einen grossen Effort leisten müssen und können. Persönlich finde ich bei politischen Ämtern die Eignung entscheidender als die Bekanntheit: Letzteres kann man kompensieren, beim anderen ist das schwieriger.
Sie wurden von der NZZ als Gemeinde-Muni bezeichnet – im Kontrast zu Grünenfelder, der als Quereinsteiger bezeichnet wurde. Was können Sie mit dieser Beschreibung anfangen?
Nicht viel – ich erachte diese als despektierlich gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern, welche sich in ihrer Freizeit im Milizamt für ihre Wohngemeinde engagieren. Ich habe das mit der NZZ deshalb auch geklärt.
Wie gross rechnen Sie sich die Chancen überhaupt aus, dass die FDP ihren zweiten Sitz im Regierungsrat zurückerobert?
Das ist ein schwieriges Unterfangen – die Einschätzung ist umso schwieriger, als dass noch kein Mitglied den Rücktritt erklärt hat, obschon fast die Hälfte im Wahljahr das Rentenalter erreicht haben wird. Aber jede Kandidatur für ein politisches Amt birgt das Risiko einer Nichtwahl.
Küsnacht stünde bei Ihrer Wahl in den Regierungsrat im Februar 2023 ohne Gemeindepräsident da. Schon bei den kommunalen Wahlen im kommenden Mai fordert Sie kein einziger Gegenkandidat heraus. Woher soll die Gemeinde eine Kandidatin dann aus dem Hut zaubern?
Noch bin ich nicht nominiert und schon gar nicht gewählt. Im Übrigen zaubert die Küsnachter FDP ihre Kandidatinnen und Kandidaten jeweils nicht aus dem Hut, sondern hat glücklicherweise ein gutes Reservoir an motivierten und leistungsbereiten Mitgliedern für die verschiedenen Behördenämter.
Sie würden Küsnacht in einer heiklen Phase verlassen, da es in der nächsten GR-Periode um die Neuorganisation der Verwaltung geht. Mit sieben statt neun Gemeinderäten müssen dann auch die Ressorts neu verteilt werden. Eine schwierige Ausgangslage für jemand Neues. Ist der Zeitpunkt, Küsnacht allenfalls zu verlassen, nicht etwas ungünstig?
Diese Befürchtungen teile ich nicht. Ich wäre ein schlechter Gemeindepräsident, wenn das Funktionieren der Gemeinde von mir abhängig wäre. Dazu kommt, dass der Amtsantritt erst im Sommer 2023 wäre, wenn bei uns die neue Legislatur bereits ein Jahr alt sein wird.
Sie sind als Unternehmer tätig und als Brigadier im Militär aktiv. Wie würde sich das Amt des Regierungsrates damit vereinigen lassen beziehungsweise was würde sich für Sie beruflich/privat bei einer Wahl ändern?
Es würde sich fast alles ändern: Ein Regierungsratsamt bringt es mit sich, dass alle angestammten Tätigkeiten aufgegeben werden müssen. Auch von der Dienstpflicht wäre ich befreit.
Wenn Sie Regierungsrat wären, sähe man Sie noch an Gemeindeversammlungen oder Veranstaltungen in Küsnacht?
An Veranstaltungen eher als an Gemeindeversammlungen. Ich ärgere mich über Politikerinnen und Politiker, die nach ihrem Rücktritt noch zu allem ihren Senf dazugeben. Unabhängig davon, wann und unter welchen Umständen ich eines Tages nicht mehr Gemeindepräsident bin: Eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger hat einen eigenen Stil und eigene Ideen. Diese sollen sich ohne den Schatten des Vorgängers entfalten können.