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Mit Dürrenmatt über die Liebe hinter all dem Unsinn

Erstellt von Céline Geneviève Sallustio |
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Kürzlich veranstaltete die Bibliothek Küsnacht einen ersten Onlinelesetreff, um gemeinsam über Friedrich Dürrenmatt und sein Werk «Grieche sucht Griechin» zu diskutieren.

Ein weisses Dampfschiff tuckert gemächlich dem Ufer entlang, es ist mit einer Palme geschmückt. Das mediterrane Bild ziert das Buchcover «Grieche sucht Griechin». Es ist ein Werk, das Friedrich Dürrenmatt 1955 veröffentlichte – ein Jahr vor seinem Durchbruch, der ihm mit dem Text «Besuch der alten Dame» gelang. Dieses Jahr hätte der Weltautor seinen 100. Geburtstag gefeiert. Anlässlich dieses Jubi­läums wird an unzähligen Schweizer ­Ausstellungen und Anlässen an den Schriftsteller erinnert. Auch die Bibliothek Küsnacht nutzte das Jubiläum als Chance, um an ihrem ersten Onlinelesetreff über die Prosakomödie zu diskutieren, zu sinnieren und zu reflektieren.

Über den Sinn des Lebens

Durch die virtuelle Veranstaltung führten die Bibliothekarin Ilka Allenspach und Germanistin Marina Konstantinidis. Das Werk handelt vom Leben des vegetarischen Unterbuchhalters Arnolph Archilochos, der in einer kläglichen Mansarde unter der Begleitmusik von Wasserspülungen lebt – bis er die Prostituierte Chloé Saloniki kennen lernt und auf einmal ein Leben in Hülle und Fülle geniesst. Konstantinidis persönliches Fazit zu Dürrenmatts Werk: «‹Grieche sucht Griechin› ist eine heiter-tiefgründige Prosakomödie über den Sinn des Lebens, die Suche des Einzelnen nach seinem Platz in der Gesellschaft und die Kraft der Liebe.»

Im Roman fände sich sogar eine Textstelle, die den ganzen Roman zusammenfassen würde: «Die Welt ist schrecklich und sinnlos. Die Hoffnung, einen Sinn hinter all dem Unsinn, hinter all dem Schrecken, vermögen nur jene zu bewahren, die dennoch lieben.»

Persönliche Einladung

Einer der zwölf Teilnehmer ist Hans-Ulrich Kull. «Seit Jahren – nicht nur im Jubiläumsjahr – lese ich alle Zeitungsartikel über diesen hervorragenden Schweizer Schriftsteller», so Kull. Bereits 1958, während seiner Maturaarbeit, habe er über die ersten Dramen Dürrenmatts geschrieben. Im jugendlichen Übermut habe er damals den bereits bekannten und in Zürich schon mehrfach aufgeführten Schriftsteller angeschrieben. Ob er ihm allenfalls für seine Arbeit einige Unterlagen zur Verfügung stellen könne.

«Dürrenmatt rief mich an und lud mich nach Neuenburg in seine Villa ein», so Kull, der damals 18-Jährig war. Besonders in Erinnerung blieben Kull nicht nur die grosse Schreibmaschine und die volle Bibliothek, sondern auch seine Gastfreundschaft: «Dürrenmatt servierte mir den ersten weissen Cinzano», sagt Kull und lacht. Er habe Dürrenmatt als einen sehr aufgeschlossenen, freundlichen, hilfsbereiten und humorvollen Menschen in Erinnerung. «Er zeigte mir seine Arbeitsweise, seine immer wieder korrigierten Textentwürfe und sein grosses Büro – aber keine anderen Räume und auch nicht seine Frau Lotti.»

Für einmal virtuell

Der Lesetreff Höchhus wird seit 2010 von der Bibliothek Küsnacht organisiert. «Mit dem heutigen Onlineanlass wollten wir sehen, ob überhaupt Interesse an dieser Form von Veranstaltung besteht und wie gut eine virtuelle Buchbesprechung funktioniert», so Allenspach. Der virtuelle Anlass wurde von den Lesebegeisterten geschätzt. «Das Treffen hat mir sehr gefallen. Dass man die Teilnehmer bei sich zu Hause sieht, macht das Treffen trotz Technik persönlich», sagt die Teilnehmerin Ingela Spillmann-Thulin.

Ob und wann wieder ein Onlinelesetreff stattfinden wird, sei noch unklar. Die zu lesende Lektüre steht jedoch für den nächsten persönlichen Lesetreff – sobald dieser wieder durchführbar ist – bereits fest: «Im Fallen lernt die Feder fliegen» von Usuma Al Shamani. Ein fiktiver Roman, der die aktuelle Flüchtlingsthematik aufgreift und das Ankommen in der Fremde