Tagesroutinen sind wegen der Corona-Krise eingeschränkt. So auch der Gang in die Kirche. In Küsnacht weiss sich die Reformierte Kirchgemeinde zu helfen: Die Tage von Palmsonntag bis Ostern werden mit Online-Gottesdiensten zelebriert.
Die aktuelle Lage hat etwas Gemeines. In Krisensituationen, wie der des momentanen Coronavirus, suchen viele Halt und nähern sich den spirituellen Themen eher wieder an. Für seine Angehörigen beten geht auch von zu Hause aus, doch die kirchlichen Rituale durchzuführen, hat speziell in diesen Zeiten für den einen oder anderen eine höhere Bedeutung gewonnen. Und genau in dieser Phase, wo sich der für viele Christen zweitwichtigste Feiertag des Jahres nähert – Ostern –, kann die Kirche nicht besucht werden.
Andrea Marco Bianca, Pfarrer in der Reformierten Kirchgemeinde Küsnacht, hat für dieses Problem eine Lösung gefunden. Gemeinsam mit seiner Pfarrkollegin Judith Bennett und seinen Pfarrkollegen René Weisstanner und Fabian Wildenauer gestaltet er von Palmsonntag bis Ostern vier Gottesdienste, die in den eigenen vier Wänden mitverfolgt werden können.
Videoaufnahmen statt Streams
Bereits letzte Woche wurde in der reformierten Kirche Küsnacht die Musik für die Gottesdienste aufgenommen. Die Planungen haben bereits Mitte letzten Monats angefangen, als klar wurde, dass der landesweite Lockdown unumgänglich wird. Die Gottesdienste sind im Netz nicht in Echtzeit verfolgbar, bieten dafür aber eine umso bessere Qualität: «Am liebsten wäre mir eine Live-Übertragung, aber diese könnten wir momentan niemals so schön umsetzen», so Pfarrer Bianca. Denn in Zusammenarbeit mit dem Violinisten und Filmer Adam Taubitz sollen für diese Tage visuell ansprechende Videos auf die Beine gestellt werden. Obwohl die Interaktion, die ein Live-Stream zum Vorteil hätte, verloren geht, sind die vorproduzierten Videos dafür weitaus weniger statisch. Fixe Kameraansichten fallen dadurch weg. Es herrsche mehr kreative Freiheit, so der Pfarrer. Von zu Hause aus könne man bei der Musik trotzdem für sich mitsingen. Um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, empfiehlt Bianca, die Gottesdienst-Videos mit Angehörigen über Videochat anzuschauen.
Zudem können so die Sondermassnahmen des Bundes gegen das Coronavirus eingehalten werden. «Dank der Vorarbeit des Kirchenmusikers Christer Løvold fehlen lediglich die Predigten», erklärt der Küsnachter Pfarrer. Durch das gestaffelte Aufnehmen versammeln sich in der Kirche nicht mehr als maximal fünf Personen. Für den Pfarrer sei es hinsichtlich der Vorproduktion sehr wichtig, dass die Predigt kurz vor den Osterfeiertagen aufgenommen wird, um inhaltlich möglichst aktuell bleiben zu können. Der Online-Gottesdienst habe trotzdem seine Eigenheiten. Nebst der fehlenden Interaktion ist er nur halb so lang. Statt den üblichen vier Liedern werden nun nur zwei gespielt. Man spreche hier aus Erfahrung, meint Bianca. Vier Lieder würden zu lange dauern. Das Zeitempfinden sei anders. Dem Zuschauer vor dem Bildschirm komme das länger vor, als wenn er den Gottesdienst vor Ort erleben würde.
Diese Erfahrung hat die reformierte Kirche in Küsnacht bei ihren bisherigen Live-Übertragungen ihrer Gottesdienste für ein Altersheim machen können. Bis zum 19. April verbleibe man aber bei den vorproduzierten Videos. Die Live-Übertragungen zu professionalisieren, sei jedoch der nächste Schritt, wenn sich die Situation nicht bessere, sagt Bianca und fügt an: «Wir sind bei weitem nicht die Einzigen, die die Kirche den Menschen über das Internet zugänglich machen wollen. Vielen Kirchengängern ist aber das Lokale wichtig, deswegen machen wir es auch selber.»
Der Pfarrer habe schon zahlreiche Nachrichten empfangen, in denen es hiess, dass es die Kirche in der Corona-Zeit mehr denn je brauche. «Sogar ein Küsnachter Ehepaar meldete sich bei mir aus Spanien und sagte, dass es die Gottesdienste anschauen möchte», erzählt der Pfarrer
Digitalisierung der Kirche
So macht er das Angebot durch Mundpropaganda weiter bekannt. Auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken meldet er sich persönlich bei den Menschen, um bekannt zu machen, dass es im Internet genügend Alternativen zum herkömmlichen Gottesdienst gibt. «Ich schreibe alle selber an und bemühe mich, dass es nicht den Charakter einer Massenwerbung annimmt. Ich nehme auch die kirchenkritischen Menschen ernst und gehe auf sie zu», sagt Bianca.
Ohnehin sei diese ausserordentliche Lage mit ein Grund, die Digitalisierung innerhalb der Kirchgemeinden weiter voranzutreiben zu müssen. Die Online-Angebote der Kirche werden daher fortlaufend erweitert. Als Mitglied des Kirchenrats erzählt Bianca von weiteren kirchlichen Angeboten. «Es gibt viele Podcasts, Videos und Blogs, die einem in solchen Zeiten Mut machen.» (Dennis Baumann)
Mehr Infos zu den Gottesdiensten unter: www.rkk.ch, weitere Online-Angebote der reformierten Kantonalkirche unter: www.seelsorge.net und www.reflab.ch