Ich habe Post erhalten – vom Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Seit Ende 2017 gilt das verschärfte Nachrichtendienstgesetz (NDG). Darin wird der Schweizer Geheimdienst erstmals seit der 1989 enthüllten Fichenaffäre ermächtigt, geheim im Privatbereich zu überwachen. Er kann Gruppen infiltrieren, Räume verwanzen, bestimmte Telefon- und Internetleitungen abhören und auch Schnüffelprogramme in Handys sowie Heimcomputer einschleusen.
Auch grössere Fangnetze kann er auslegen, nicht nur indem er das offene Web durchforstet, sondern auch mittels Stichwort- und Mustersuche in Datenströmen von Satelliten- und Glasfaserleitungen. Es ist, als würde er alle Briefe nach bestimmten Wörtern oder Bildern durchsuchen, und bei einem Fund eine Kopie zuhanden des Bundes anlegen. Die geballte Macht hat der NDB erhalten, um Terrorismus zu erkennen. Das war das grosse Versprechen der NDG-Befürworter und Grund für mich, nachzuhaken, ob ich wirklich in keinem NDB-Speicher auftauche.
Tatsächlich figurieren im Brief vom 9. Juni, online verlinkt unter twitter.com/vecirex, 19 Einträge, die nichts mit Terrorabwehr gemein haben. Vor allem sind es Zeitungsartikel, wo ich vor Internetwahlen, auch E-Voting genannt, oder dem NDB-Gesetz warne. In anderen Artikeln erkläre ich, wie leicht man im Internetzeitalter terrorverdächtig werden kann. Meine Masterarbeit über Massenüberwachung wird zusammen mit Beschwerden zu NDB-Massnahmen erwähnt. Ein mulmiges Gefühl gibt mir, dass der NDB nicht ausschliesst, mich in der Datenbank für Gewaltextremismus oder in Ablagen von kantonalen Geheimdienststellen zu führen. Geheimhaltungsinteressen könnten überwiegen. Da nun, wo es brisanter und privater werden könnte, gibt der Geheimdienst keine Auskunft. Beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten kann eine Prüfung der geheimen Einträge verlangt werden. Ich hake weiter nach.
Wer auch erfahren will, ob er für den NDB gefährlich sein könnte, kann ein Gesuch stellen. Eine Druckvorlage finden Interessierte im Internet auf grundrechte.ch unter dem Menüpunkt «Musterbriefe».
Hernâni Marques, Chaos Computer Club Schweiz
Der öffentliche Treff für Interessierte des Chaos Computer Clubs Zürich findet unter Corona-Auflagen wieder statt, immer mittwochs ab 19 Uhr. Neue Hard 12, Zürich. Infos: www.ccczh.ch.