An einer historischen Gemeindeversammlung von letzter Woche ist in Herrliberg über die Verdichtung und Aufwertung des Dorfzentrums abgestimmt worden. Hochbauvorsteher Hansjürg Zollinger (Gemeindeverein) nimmt Stellung.
Hansjürg Zollinger, im Fokus der Gemeindeversammlung (GV) stand die Frage: Wie stark soll Herrliberg wachsen? Warum führte dieses Thema bei den 136 Anwesenden zu so vielen Diskussionen?
Meines Erachtens aus Angst vor einer massiven Verdichtung beziehungsweise dem Anwachsen der Bevölkerung. An der GV konnten diese Befürchtungen aber widerlegt werden: Es wird in den nächsten Jahren wenige hundert Einwohner mehr geben, falls überhaupt neu gebaut und verdichtet wird.
Die neuen Sonderbauvorschriften (SBV) wurden schliesslich im Rahmen der Teilrevision der Bau- und Zonenordnung (BZO) genehmigt – weniger knapp, als man dies nach den langen Diskussionen hätte denken können. Hat der Gemeinderat nun die maximale Einflussnahme auf neue Bauten?
Die gemäss Richtplan von der Bevölkerung mit überwältigendem Mehr schon vor drei Jahren angenommene, moderate Verdichtung kann dank diesen SBV nun einfach durch den Gemeinderat am besten gesteuert werden: in architektonischer Hinsicht bezüglich des Ortsbildes, der Umgebung und Ökologie und der Erschliessung zu Fuss und mit dem Auto. Die Anforderungen an gute Lösungen sind bedeutend höher als bei der Regelbauweise.
Die Sonderbauvorschriften kamen bei den privaten Eigentümern nicht gut an.
Auf Wunsch einer Eigentümergruppe wurden im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens ihre Grundstücke aus dem Perimeter der SBV entfernt, weil diese Gruppe insbesondere ihr lokales Ortsbild bewahren will. Aber auch ohne SBV kann sich dieses Bild verändern, wenn die alte Bausubstanz ersetzt wird, insbesondere kann bei lockerer Bebauung ein neuer Eigentümer die Baumassenziffer voll ausnutzen und somit eine «natürliche» Verdichtung ausüben.
Was sind die weiteren Vorteile der SBV?
Eine Verdichtung konnte bereits bis anhin realisiert werden, weil die allgemeine Bauverordnung bis zu 20 Prozent Steigerung der Baumasse für verglaste Balkone, Loggien und Windfänge erlaubt, sofern sie energetisch nutzbringend sind. Die Resultate dieser Verdichtung sind allerdings oft architektonisch unbefriedigend. Mit den SBV hat der Gemeinderat nun ein Steuerungsinstrument für ein qualitätsorientiertes Wachstum in der Hand.
Abgelehnt wurden hingegen die neuen Freiräume, die in den alten Dorfteilen hätten eingezeichnet werden sollen.
Die Ablehnung bedeutet nicht, dass jetzt problemlos in diesen für das Ortsbild wichtigen Räumen gebaut werden kann. Einerseits gelten auch dort die Grundmasse – Höhen, Gebäudelängen, Grenzabstände und so weiter –, die gute Einordnung wird verstärkt gefordert und es gibt auch Vorschriften bei Schutzobjekten bezüglich der Einsehbarkeit.
Die Teilrevision der BZO wurde erst nach mehreren Änderungsanträgen angenommen. Was bleibt der Kern der Vorlage?
Das ist die Annahme der SBV. Dazu kommt die Harmonisierung der Baubegriffe, die der Kanton vorschreibt und die an der GV problemlos angenommen wurde. Diese Arbeit war für den Gemeinderat eine mit viel Arbeit verbundene Pflichtübung. Zudem wurden in den Kernzonen die Bestimmungen zugunsten der Eigentümer flexibilisiert und ermöglichen nun eine moderne Architektur, die mehr Freiheiten zulässt. Auch wurden die Möglichkeiten zur Entwicklung in den Kernzonen Weiler klargestellt. Als Letztes hat die Gemeinde mit der Aufzonung des eigenen Grundstücks Humrigen nun die Möglichkeit, mehr kostengünstigeres Wohnen anzubieten.
Die Herrlibergerinnen und Herrliberger wünschten sich im Vorfeld der GV eine Forchstrassse als zentrale Achse, die als Begegnungsort und Aufenthaltszone gestärkt wird. Hat sich dieser Wunsch erfüllt?
Trotz der Ablehnung von zwei Prinzipien zur Aufwertung des Raumes wurde eine Basis gelegt für eine freundlichere zentrale Verkehrsachse. Die eigentliche Arbeit wird erst jetzt aufgegleist mit der Schaffung einer Arbeitsgruppe, an der alle Beteiligten mitwirken sollen – das sind namentlich Anwohnerinnen und Grundeigentümer, kantonale Ämter, kommunale Behörden und so weiter. Ziel soll schliesslich ein breit abgestütztes, bewilligungsfähiges Konzept sein.