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Rückbesinnung auf Weihnachten im Original

Erstellt von Andrea Marco Bianca |
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Eine Weihnachtsgeschichte soll ich schreiben. Von heute auf morgen. Der Autor sei ausgefallen. Noch eine Weihnachtsgeschichte? Als ob es nicht schon genug gäbe. Und vor allem: Genügt denn die ursprüngliche Weihnachtsgeschichte nicht? Fast scheint es so.
Als ob die Geschichte von der Geburt Jesu Christi in der Krippe zu Bethlehem zu belanglos geworden wäre. Dann bräuchte es wirklich jedes Jahr neue Weihnachtsgeschichten. Überraschendere, spannendere, berührendere.

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Aber neue Geschichten tragen die Gefahr in sich, dass sie uns wegführen von Weihnachten im Original. Weg von der ursprünglichen Weihnachtsgeschichte. Eine Geschichte, in der aufscheint, wie es Menschen gelingt, im Vertrauen auf Gott als höhere Macht erfüllende Freude und umfassenden Frieden zu finden. Und darum schreibe ich hier keine neue Weihnachtsgeschichte.
Vielmehr gilt es, zu entdecken, wie die biblische Weihnachtsgeschichte neu mit unserer eigenen Lebensgeschichte verbunden werden kann.

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Drei weihnachtliche Fragen sind dafür zu stellen: Glauben wir nicht mehr an die Bedeutung der ursprünglichen Weihnachtsgeschichte? Zweifeln wir an der Veränderbarkeit unserer eigenen Lebensgeschichte? Oder halten wir es für möglich, dass durch die Verbindung dieser beiden Geschichten weihnachtliche Freude und weihnachtlicher Frieden unser Leben tiefgreifend verändern kann?

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Einer der eindrücklichsten Barockdichter, Angelus Silesius, hat in Worte gefasst, wie die Weihnachtsgeschichte Teil unserer Lebensgeschichte werden könnte. Weihnachten wird laut Silesius nur wirklich und wahr, wenn die Weihnachtsgeschichte jetzt und hier in jedem und jeder von uns geschieht: «Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren. »
Ein kurzer Zweizeiler anstelle einer neuen Geschichte. Eine weihnachtliche Neugeburt Gottes im Menschen befreit aus aller Verlorenheit.
Und wo fühlen sich Menschen heute verloren? Zumeist wohl in beziehungsmässigen Verstrickungen, beruflichen Belastungen und gesundheitlichen Einschränkungen, welche Lebensgeschichten zwangsläufig mit sich bringen.

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Weihnachten soll deshalb jedes Jahr in uns selbst empfangen werden und wachsen wie damals das Kind in der Krippe. Weihnachten soll zuerst im Inneren des Menschen, in seinem Herzen, Wirklichkeit werden, damit in der Folge auch äusserlich, im alltäglichen Leben, wirklich Weihnachten wird: «Ach, könnte nur dein Herz zu einer Krippe werden, Gott würde noch einmal ein Kind auf dieser Erden », wünscht sich Silesius.

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Um unser Herz zu einer solchen Krippe werden zu lassen, müssen wir Raum in unseren Gedanken und Gefühlen schaffen. Darin besteht der herausforderndste Teil der ursprünglichen Weihnachtsgeschichte: Um eigenen offenen Herzensraum muss gerungen werden. Ein Ringen, das sich lohnt. Auch dieses Jahr. Indem Menschen Weihnachten in sich selbst wirksam werden lassen, werden sie selber wie neugeboren.
Die Weihnachtsgeschichte bewirkt so ein Ineinander- und Zusammenwirken von Göttlichem und Menschlichem. Sie schafft Herzensraum für einen menschlicheren Gottesbezug und einen weihnachtlicheren, das heisst friedlicheren und freudigeren Glauben.

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Eine neue Weihnachtsgeschichte sollte ich schreiben. Vielleicht genügt es, die ursprüngliche im eigenen Herzen neu wirken zu lassen. Nicht von heute auf morgen. Und auch nicht, weil der Autor ausgefallen ist. Sondern weil sie so zur eigenen Lebensgeschichte wird. Das wäre nicht belanglos. Sondern überraschender, spannender und berührender als jede neue Weihnachtsgeschichte.