Ob es gelingen würde, die Küsnachter Diskussionsrunde von «BooXkey» über Videokonferenz durchzuführen? Drei Teilnehmer wagten den Versuch. Es entstand eine lebendige Diskussion über Mundart.
Das Thema war gesetzt und lautete: «Entwicklungen im schweizerdeutschen Wortschatz». Vor Corona hätten sich die Interessierten persönlich getroffen, wie immer jeweils am letzten Donnerstagvormittag eines Monats. Die Veranstaltungsplattform «BooXkey» für Themen rund um Sprache, Kommunikation, Literatur und Medien ist traditionellerweise in der Chrottegrotte Küsnacht zu Hause. Seit März mussten aber alle Veranstaltungen bis vorläufig Ende November abgesagt werden. Deshalb findet heute die Diskussion erstmals per Zoom statt.
«Gratuliere zum Mut»
Kurz vor 9.30 Uhr schickt «BooXkey»-Leiterin Susanna Vollenweider den Zugangscode via Mail. Kurz darauf klicken sich zwei, später dann ein dritter Teilnehmer in die Zoom-Sitzung ein. Weil ungewohnt, lächelt man sich erstmals noch etwas schüchtern zu. Vollenweider lockert die Stimmung aber rasch auf mit ihrer freundlichen Begrüssung: «Ganz herzlich willkommen zur Diskussion und ich gratuliere Euch zu Eurem Mut.» Anwesend sind Monica Fricker, Raymond Kind und Pierre Vollenweider, Vollenweiders Ehemann.
«Wie empfindet ihr die englischen Ausdrücke, die immer mehr in unsere Sprache eindringen?», lanciert sie die Diskussion. «Easy» zum Beispiel, «mega» oder «cool» seien solche Ausdrücke. «Mir gefällt das Wort easy», beginnt Fricker, «ich benutze es gern, weil es mir fröhlicher vorkommt als das Synonym in unserer Sprache, ‹einfach›.» – «‹Cool› finde ich aber negativ, auch den ‹Cool man› fand ich immer einen Blödmann», sagt Raymond Kind: Jetzt lachen alle.
«Braucht es denn die englischen Wörter überhaupt?», fragt Vollenweider weiter. – «Nein, mich nerven sie eher. Denn das ‹Züritüütsch› hat doch sehr viele direkte, schöne Ausdrücke», findet Raymond Kind. Daheim sei bei ihm französisch gesprochen worden, aber Mundart habe er auf der Strasse gelernt. «Deshalb spreche ich eine etwas raue Sprache», schmunzelt er. Und überrasche manchmal. So staunten die Enkel zum Beispiel, wenn er von einem «Böggealbum» spreche – also einem Nastuch.
Aber Sprache, so Kind weiter, habe eben auch etwas mit Identität zu tun. Zudem, wirft Pierre Vollenweider ergänzend ein, habe «mega» oder «giga» ja nichts mit der englischen Sprache zu tun, sondern sei der Physik entlehnt. «Eine Sprache ist vielen Einflüssen ausgesetzt», so Vollenweider, «und verändert sich ständig. Besonders in den Zentren, also in den Städten.» Die Runde diskutiert dann, ob Kinder schon im Kindergarten Hochdeutsch reden sollten.
«Unbedingt», ist man sich einig. «Denn so geschliffen lernen sie es sonst nicht mehr», sagt Monica Fricker. «Später tönt es dann so behäbig, wenn Schweizer Hochdeutsch sprechen», findet Pierre Vollenweider. Ihre Enkelin, so Fricker wieder, spreche dank einer deutschen Nachbarin von Klein auf Hochdeutsch und deshalb akzentfrei.
Und doch – Mundart, also wie es wörtlich schon heisst: aus dem Mund gesprochen – sei eine schöne Sprache, wenn auch nicht schriftlich. Oder doch? Wie wäre es denn, wenn im «Küsnachter» mal eine Kolumne auf Schweizerdeutsch erscheinen würde? Den Versuch wäre es wert.
Die Runde ist sich schnell einig: Whatsapp-Nachrichten oder SMS werden natürlich in der eigenen Sprache verfasst. Susanne Vollenweider: «Die vielen ööö öder äää lassen Gefühle visuell ausdrücken und machen dadurch die Emojis überflüssig.» Auch erhalte es die vielen Dialekte: «In unserer Familie schreiben wir Züritüütsch, ich selber bin vom Thurgau, und mit dem Freund der Tochter ist nun noch ein Basler dazugekommen», schmunzelt sie.
«Um den nächsten Eggen umen»
Ob es in Ordnung ist, dass das Wetter im Schweizer Fernsehen auf Schweizerdeutsch moderiert wird? Schliesst das nicht automatisch die aus, die nicht von hier sind? Lustig – so Raymond Kind – seien umgekehrt die Deutschschweizer, die dann so halb richtig Hochdeutsch reden würden. So sei seinem aus Genf stammenden Vater einmal zur Orientierung in der fremden Stadt erklärt worden: «Sie müssen nume um den nächsten Eggen umen.»
«Sali» sage heute auch niemand mehr, bemerkt schliesslich Monica Fricker. Und dann ist es Zeit, «Tschau» zu sagen nach dieser angeregten Diskussionsstunde. Gut gelaufen ist sie, die erste Zoom-Sitzung. Die Idee sei auf jeden Fall lanciert, sagt Susanna Vollenweider. «Vielleicht», meint die Organisatorin weiter, «lassen sich für die nächsten Zoom-Veranstaltungen sogar noch mehr Interessierte motivieren.»