Alexander Lüchinger war beinahe 20 Jahre Energieberater der Gemeinde Küsnacht. Im Dezember letzten Jahres hat er das Mandat seinem Nachfolger übergeben. Doch kürzertreten ist für den heute 67-Jährigen nicht so leicht.
«Ich bin der Meinung, wenn man sich in einem wichtigen Themenbereich gut auskennt, sollte man auch seinen Beitrag für die Gesellschaft leisten», sagt der Mann mit der blauen Brille. Das Thema Energie beschäftigt Alexander Lüchinger schon seit seinem Studium als Maschineningenieur: «Ich war schon als Jugendlicher begeistert von Motorradmotoren, was auch nichts anderes als eine Energiemaschine ist.» Während des Studiums kam er mit der Thermodynamik in Berührung: «Das Fach faszinierte mich so sehr, dass ich darüber auch meine Diplomarbeit schrieb», erzählt er. Nach seinem Abschluss 1975 trat er seine erste Stelle in einem kleinen Ingenieurbüro an.
Nach Küsnacht zog es den gebürtigen St. Galler 1981 der Liebe wegen. Ein Jahr darauf entdeckte er in der Zeitung einen Artikel über die Energiekommission Küsnacht. Sein Interesse war geweckt: «Als sich in der Kommission eine Vakanz ergab, wurde ich Mitglied», erzählt er. Während seiner ehrenamtlichen Tätigkeit in den Gremien der Seegemeinde arbeitete Lüchinger jeweils neun Jahre lang erst in einem grossen Zürcher Generalunternehmen, wo er die Bereiche Bauakustik, Bauphysik und Energie leitete. Anschliessend in einem Ingenieur- und Planungsbüro, ebenfalls in Zürich. Dort war er für Energie- und Umweltprojekte in Osteuropa verantwortlich. «1999 gründete ich mit zwei Partnern eine eigene Firma, die sich auf Klimaschutz konzentriert.» Damals war das Thema noch lange nicht so präsent wie heute. Entsprechend wurde ihnen keine rosige Zukunft prophezeit, doch sollten die drei mit ihrem guten Riecher recht behalten, sie beschäftigten in ihrer Firma rund 150 Personen und betreuten zahlreiche Projekte rund um das Thema Energie und Klima.
Küsnachts erster Energieberater
Zwei Jahre nach der Gründung übernahm Lüchinger mit seiner Firma das Mandat als Energieberater von Küsnacht: «Soweit ich weiss, war ich der erste Energieberater der Gemeinde. » Vor sieben Jahren zog er sich aus seiner Firma zurück und wurde selbstständiger Berater rund um das Thema Energie: «Ich wollte mich wieder mehr Projekten und weniger Führungs- und Managementaufgaben widmen.» Sein Mandat für die Seegemeinde behielt er auch nach dem Austritt bei. 2018 wurde die Kommission in Energie- und Naturschutzkommission (ENAK) umbenannt. Zu diesem Zeitpunkt begann Lüchinger, eine Nachfolgelösung für die Energieberatung aufzubauen. Ende 2019 konnte er nun seinem Nachfolger Matthias Burri die Zügel übergeben.
Der Plan war, nach dem Ausscheiden aus seiner Firma bis 65 immer weiter zu reduzieren, gelungen ist ihm das nicht: «Im Gegenteil, ich arbeitete eher immer mehr. Heute bin ich 67 und bin immer noch an Projekten in Osteuropa beteiligt», sagt er.
Aktuell betreuen Lüchinger und sein Team, darunter auch seine damalige Firma, zwei Städte in der Ukraine. «Die Ukraine hat mit der Schweiz ein Finanzhilfeabkommen», erklärt Lüchinger. Die Gelder müssen für klar definierte Themen, wie in diesem Fall Umwelt und Energie, eingesetzt werden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) stellt die Mittel für diese Projekte zur Verfügung. «Um sicherzustellen, dass die Konzepte den Qualitätsansprüchen gerecht werden und der Zeitplan eingehalten wird, beauftragt das SECO Ingenieure wie mich, um die Fortschritte zu überprüfen.»
Ein Beispiel für seine erfolgreiche Beratungstätigkeit in Küsnacht ist das letztes Jahr in Betrieb genommene Fernwärmenetz, welches bereits vor 36 Jahren zur Diskussion gestanden hatte: «Damals waren unsere Pläne jedoch eher visionäre Ideen.» Den Startschuss zu den intensiven Energietätigkeiten in Küsnacht gab der Regierungsrat im Jahr 2000: «Die Regierung forderte verschiedene Gemeinden auf, eine Energieplanung durchzuführen. Daraus entstand auch das Bedürfnis nach einem Energieberater », erzählt Lüchinger. Der fachkundige Mann aus den eigenen Reihen war da die optimale Wahl.
Eine seiner wichtigsten Aufgaben als Energieberater war die Energiekurzberatung, die er im Auftrag der Gemeinde für Privatpersonen durchgeführt hat. Zirka 500 Beratungen waren es insgesamt: «Musste man den Service anfangs noch beinahe aufdrängen, so haben die Anfragen besonders in den letzten Jahren deutlich zugenommen», sagt er.
Ein Grund sieht Lüchinger in den neuen Energieverordnungen, die nächstes Jahr in Kraft treten: «Liegenschaftsbesitzer können künftig nicht mehr frei entscheiden, wie sie mit der Energie in ihren Häusern umgehen. Das wirft insbesondere bei Sanierungen die Frage nach der besten Umsetzung auf.» Für die Beratungen informierte sich Lüchinger jeweils vorab einerseits über die Voraussetzungen und den Energieverbrauch und schaute sich andererseits die Pläne der Grundstücke an. «Beim Besuch besprach ich die Problemstellung, beantwortete Fragen, gab Tipps zu Baufragen oder machte Vorschläge für Offerten, die mir am sinnvollsten erschienen», gibt Lüchinger Einblick in seine Arbeit. «Dabei lernte ich Küsnacht von aussen und innen sehr gut kennen.»
Luft nach oben
Neben den Beratungen für Privatpersonen unterstützte er die Gemeinde, wie und wo welche energietechnischen Massnahmen sich am besten umsetzen lassen. «Obwohl viele Kommissionsmitglieder in politischen Ämtern tätig sind, hatte ich nie das Gefühl, dass die Energiepolitik von Küsnacht durch Parteipolitik beeinflusst wurde. Die Kommission konnte in Sachen Energie immer sachdienlich entscheiden», lobt Lüchinger. Auch wenn Küsnacht auf einem guten Weg sei, werde es auch für die Seegemeinde nicht einfach, die nationale Vorgabe, bis 2050 CO2-neutral zu werden, zu erfüllen: «Küsnacht ist sicher ein Vorreiter, was alternative Beheizungsmethoden betrifft, doch leben wir hier ohne Frage auf einem zu hohen Komfortniveau und mit einem zu hohen Energie- und Ressourcenverbrauch, um wirklich als gutes Beispiel zu gelten», gibt sich Lüchinger selbstkritisch.
Lüchinger und seine Frau halten ihren Fussabdruck möglichst klein: «Wir leben in einem Minergiehaus und heizen mit Holz. Dieses Jahr lassen wir eine Solaranlage bauen, und als Nächstes tausche ich mein Auto gegen ein Elektromobil.» Aber auch er sei nicht über jeden Zweifel erhaben, befindet Lüchinger und bezeichnet seine Pferdezucht als «klimaschädigend ». «Ein eigenes Pferd war mein längst gehegter Wunsch. Seit ich denken kann träumte ich davon, zu reiten.» Umsetzen konnte er seinen Herzenswunsch erst mit 35 Jahren. Sein erstes Pferd, ein amerikanisches Quarter Horse, verstarb jedoch mit gerade mal sieben Jahren: «Das Tier war komplett überzüchtet. Danach suchte ich nach der robustesten Pferderasse, die es gibt.»
Fündig wurde er durch das Buch eines Schweizers, der 1920 von Buenos Aires nach New York geritten ist, um die Pferderasse der Criollos und ihr ausdauerndes Wesen bekannt zu machen. «Ich war sofort fasziniert und machte mich auf die Suche nach einem Züchter.» Seine ersten Tiere holte er über einen Züchter in Deutschland zu sich. Inzwischen stammen seine Zuchtpferde alle aus Südamerika. In der Schweiz ist Lüchinger der einzige Züchter der robusten Rasse. Seinen Pferden möchte sich der Züchter auch nach der angepeilten Pensionierung in drei Jahren weiter widmen. «Und ich bin Grossvater », sagt er stolz. Eine Aufgabe, welcher sich Lüchinger nur zu gerne mehr zuwenden wird.