Die Sekschüler in Küsnacht haben kürzlich eine neue, ungewöhnliche Kompetenz erlernt: Sie können eine Person nach einem plötzlichen Herzstillstand reanimieren. Das ist möglich, weil die Schule an einem Pilotprojekt des Unispitals mitmacht.
Nach einem plötzlichen Herzstillstand ist es nach maximal fünf Minuten zu spät: Das Gehirn ist dauerhaft geschädigt. Deshalb ist es entscheidend, wer als Erster vor Ort ist. Die Oberstufe Küsnacht stellt sich aus diesem Grund als Pilotschule für das Unispital Zürich (USZ) zur Verfügung und nimmt — als erste und zurzeit einzige Schule im Kanton – an neun Schulungen teil. Die erste Ausbildung hat bereits im Januar stattgefunden, die letzte fand Ende Februar statt. An dieser nahm die gesamte Schülerschaft teil – das sind 200 Schülerinnen und Schüler – sowie einmalig auch ein Dutzend Reinigungsund Mensamitarbeiter. Durchgeführt wurden die Schulungen direkt im Simulationszentrum am USZ.
«Es ist uns eine Ehre»
«Es ist für uns als Schule, aber vielleicht auch für die Gemeinde Küsnacht eine Ehre», sagt Gabi Herren, Schulleiterin der Sekundarschule im Schulhaus Zentrum, «dass wir in diese Zusammenarbeit mit dem USZ einsteigen können.» Angelegt ist die Kampagne weltweit im Projekt namens «Kids Save Lives» («Kinder retten Leben»). Internationale Studien belegen nämlich, dass flächendeckende Trainings in den Volksschulen die Wiederbelebungsrate durch Ersthelfer deutlich verbessern können.
Der Herz-Kreislauf-Stillstand ist laut Studien in der industrialisierten Welt die häufigste Todesursache ausserhalb des Spitals. In der Schweiz geht man von rund 10 000 Fällen pro Jahr aus. In der Regel sind die Rettungsdienste auch in der dicht besiedelten Schweiz zu spät vor Ort. Und: Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist die Wiederbelebungsquote durch Ersthelfer in der Schweiz niedrig. Es könnte also einiges verbesserte werden. Und so wurden in den vergangenen zehn Jahren weltweit Initiativen ergriffen, um diese Kompetenzen früh zu verankern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt das Erlernen der Kompetenz ab spätestens dem zwölften Lebensjahr. In Europa ist der Unterricht in Wiederbelebung derzeit erst in fünf Ländern gesetzlich verpflichtend und in mindestens 16 weiteren Ländern empfohlen. In der Schweiz hat bisher lediglich der Kanton Tessin eine Empfehlung ausgesprochen.
Kooperation mit dem Unispital
Aus diesem Grund ist das Institut für Anästhesiologie am USZ an die Gesundheits- und Bildungsdirektion gelangt, damit an allen Schulen die Lernenden befähigt werden, im Bedarfsfall Wiederbelebungsmassnahmen treffen zu können. Das USZ suchte eine Sekundarschule, welche sich als Pilotschule und im Rahmen einer internen Studie zur Verfügung stellt.
«Durch einen Kontakt zum Institutionsdirektor für Anästhesiologie am USZ, mit Professor Donat Spahn, kam dieses Projekt nun zustande», sagt Schulleiterin Gabi Herren. Mitte November habe man sich mit den Projektverantwortlichen des USZ getroffen, so Herren weiter, und eine vierköpfige Delegation der Oberstufe Küsnacht habe im Simulationszentrum das genaue Timing und die Rahmenbedingungen besprochen. «Ein Vorteil für die Pilotschule ist, dass alle Lernenden im Simulationszentrum des USZ zu Ersthelfenden ausgebildet werden.» Der kleine Nachteil sei aber, dass die Schulung vor Ort eine Stange Geld koste, welche aufgrund der Kurzfristigkeit nicht budgetiert war. In der Euphorie und Spontanität wurde entschieden, dass die nötigen Finanzen mit einem Sponsorenlauf abgedeckt werden und das Simulationszentrum das Training zum Selbstkostenpreis ermöglicht. «Geld soll kein Hindernisfaktor für diese einmalige Chance sein», so Herren.
Trainings abgeschlossen
Inzwischen sind alle Lernenden und das Personal der Sek Küsnacht im Simulationszentrum in Wiederbelebung ausgebildet worden. «Das Feedback der Jugendlichen war äusserst positiv », erzählt Herren. Am Ende des Kurses hätten viele Kids gesagt, dass sie sich bereits nach diesem ersten Training sicherer fühlen würden und in einem Notfall wüssten, was zu tun sei. Das Training im USZ war aber auch für viele anstrengend und brachte einzelne energetisch ans Limit. Die praktischen und realitätsnahen Übungen, bei denen die Herzdruckmassage und die Anwendung eines Defibrillators (AED) erlernt wurden, seien dennoch für alle spannend und lehrreich gewesen, so die Schulleiterin. «Dass sie von zahlreichen Profis des USZ gecoacht wurden, schätzten die Kids.»
Bald steht in der Sek Küsnacht bereits eine erste Repetition in Wiederbelebungsmassnahmen an. «Genau wie es das Projekt vorsieht», so Herren, «denn erst durch stetiges Training erlangen Ersthelfer genügend Sicherheit. » Ebenso sei im zweiten Teil des Projekts geplant, dass ein Teil der Schüler- und Lehrerschaft als Experten ihr Know-how an Lernende der Küsnachter Primarschulen weitergeben. «Wir sind zuversichtlich, dass unsere Lernenden in Zukunft in einem Notfall nicht tatenlos zuschauen, sondern einem Opfer helfen werden», so die Schulleiterin. Dank dieses Pilotprojekts nähmen alle Jugendlichen ein lebenswichtiges Stück Wissen mit und würden dadurch zu einem verantwortungsbewussten Teil der Gesellschaft. Für die Bildungs- und Gesundheitsdirektion ist es wünschenswert, dass Reanimationskompetenzen in allen Schulen im Kanton Zürich ab der 5. Klasse erworben werden. Für Jan Breckwoldt, Oberarzt am Institut für Anästhesiologie und Reanimationsexperte, steht ausser Zweifel, dass Lehrpersonen über das bessere pädagogische Geschick als Ärzte verfügen und zukünftig die Schülerschaft von Experten innerhalb der Schulhäuser ausgebildet werden könne. Nichtsdestotrotz seien die Erfahrungen, welche mit diesem Pilotprojekt gemacht wurden, massgebend.
Für die Sek Küsnacht bleibt im Moment die Hoffnung, dass die Kids im Notfall einen kühlen Kopf bewahren, Hand anlegen und Leben retten und dass man für den Sponsorenlauf am 27. März ausreichend Sponsoren und Publikum finden wird. Einzige Gefahr momentan: dass der Coronavirus dem geplanten Lauf einen Strich durch die Rechnung macht. (gh./moa.)