Musik kann heilen – das ist die Überzeugung des Duos Arnicans. Seit zwei Jahren veranstalten die beiden Musiker im Unispital Zürich Konzerte. Sie bringen die Musik dorthin, wo sie sonst nicht hingelangen würde.
Manchmal hat das Musikerleben nichts mit Tönen und Inspiration zu tun, sondern mit vollen Trams und schweren Cello-Koffern. Florian Arnicans begleitete soeben seinen kleinen Sohn zu dessen Freund. Feierabendverkehr und ein volles Tram in Zürich. Seine Frau Arta Arnicane hat in der Zwischenzeit bereits Hemd und Noten eingepackt, denn viel Zeit bleibt nicht: Bald haben sie in Küsnacht eine Musikaufnahme.
Seit sieben Jahren bildet das Ehepaar das Duo Arnicans, sie klassische Pianistin, er Cellist. Die beiden verbindet eine grosse Passion für die Musik.
Benefizkonzert für Frühchen
Alles begann vor fünf Jahren. Ihr Sohn war zuvor im Universitätsspital Zürich zur Welt gekommen. Das Duo wollte Danke sagen, in der Sprache, die sie am schönsten sprechen – das heisst in Form eines Konzerts. «Wir haben uns dann einfach mal erkundigt, was es für Möglichkeiten gibt», sagt Arta Arnicane. Das Spital verwies sie auf die Stiftung für Neonatologie (neonat.ch). Diese finanziert ein Forschungsprojekt am Unispital Zürich, «Musik als Therapie für Frühgeborene». (siehe Kasten).
Das Konzert fand im März 2018 in der Kirche Oberstrass in Zürich statt, und war ein grosser Erfolg. Es sollte nur der Beginn einer neuen Auftrittsart werden: Seither veranstalten die beiden Vollblutmusiker jeden Monat ein Konzert am Unispital.
«Wenn es nur einem einzigen Menschen guttut, dann hat sich das Konzert schon gelohnt», sagt Arta Arnicane überzeugt. Einmal habe man eine alte Frau, die
im Sterben lag, am Konzert des Duos teilnehmen lassen. Dieses Erlebnis blieb beiden Musikern in der Erinnerung haften.
Die Konzertreihe der beiden wurde bald so beliebt, dass sie zwei Konzerte an einem Abend veranstalten durften: Zuerst im Spitaltrakt Nord 2, dann noch in in der Spitalkirche. Mal im Duo, mal mit anderen Musikern. Nicht unter luxuriösen Bedingungen: Arnicane spielte lange auf einem ganz alten Klavier. Sie, die schon Konzerte auf den grossen Bühnen der Klassikwelt gab. «Es geht alles!», sagt sie schmunzelnd.
Klänge zu den Menschen bringen
«In der Musik kann man das Leben spüren», sagt Florian Arnicans. Damit Leute zu berühren, sie zu erreichen, das ist die Spezialität des Duos.
Die beiden haben sich in der Schweiz über die Musik kennen gelernt. Sie studierte in Riga, Schottland und Zürich; er zuerst in Deutschland, dann in Lausanne. Heute leben sie in Zürich und unterrichten in Küsnacht, Bülach und Zürich. Beide sind gefragte Musiker für Konzerte und Projekte in der Schweiz und im Ausland.
Die Konzerte am Unispital sind ein ganz anderes Konzept, aber nicht weniger erfüllend: «Wir sagen nicht: Kommt unsere Musik hören», sagt Arta Arnicane, «sondern wir bringen die Musik zu Leuten, die nicht einfach an ein Konzert gehen könnten.»
2020 machte es schwieriger, diesem Ruf weiter zu folgen. Gerade hatte das Paar im Februar noch auf einer Tournee in Schottland gespielt, als zu Hause der Lockdown begann.
Corona stoppte sie
Für die hochbeschäftigten Berufsmusiker kehrte kurz Ruhe ein. «Die ersten drei Wochen waren wie Ferien», sagt Florian Arnicans. Doch mit einem leicht zynischem Unterton, denn Corona hat beide hart getroffen: 90 Prozent der Engagements wurden abgesagt, darunter Auftritte in Buenos Aires und Minsk, ein Meisterkurs in Lettland, verschiedene Jury-Teilnahmen an Musikwettbewerben und Solokonzerte mit Orchester.
Während Corona kam auch die Spitalkonzertreihe zum Stillstand. «Ausgerechnet in einer Zeit, wo Musik umso wichtiger wäre», sagt Arta Arnicane. Erst letzte Woche konnten sie einmal wieder spielen, wenn auch in kleinerem Format: Fünf Musiker traten einzeln auf verschiedenen Stationen des Unispitals auf. «Eine Frau hat geweint, als ich Bach gespielt habe», sagt Florian. Der Auftritt bleibt eine Ausnahme – zumindest vorläufig.
Aktiv und engagiert
Doch auch während des Lockdowns blieben die beiden Musiker aktiv und gaben virtuelle Konzerte, unter anderem ein Streamingkonzert für Altersheime und eine Adventsmärchen-Reihe für Kinder (www.musicstage.ch), welche die Küsnachterin Astrid Leutwyler organisiert hatte. Woher nehmen die beiden ihre Energie? «Man muss einfach gut auf fünf Gleisen gleichzeitig fahren können», beschreibt Arta Arnicane ihren Alltag.
Zurück zum Abend im Tram. Vorerst ist genug mit Schienen und Gleisen. Das Künstlerpaar nimmt das Auto, um es rechtzeitig nach Küsnacht für die Aufnahme zu schaffen. Hemd angezogen, «Hast du die Noten?», Seidensocken und Cello im Kofferraum, ein Bild vom Sohn trifft per Whatsapp ein. Da ist es, das Leben.