Thomas G. Albert wäre eigentlich schon längst im Amt als FDP-Präsident Küsnacht abgelöst worden. Doch dann kam Corona. Am 24. August tritt er nun nach über sechs Jahren ab.
Corona machte und macht noch immer Vielem einen Strich durch die Rechnung. So auch der FDP Küsnacht. Am 30. März wäre ihr Präsident, Thomas G. Albert, zurückgetreten – der Nachfolger Michael Fingerhuth, heutiger Vizepräsident – stand schon in den Startlöchern. Doch dann musste die Parteiversammlung auf den 8. Juni verschoben werden. Schliesslich gilt nun der 24. August. Und dann eilt es auch: Das politische Leben ist in Küsnacht nicht still gestanden. Albert sagt: «Die FDP wird relativ schnell ihre Parolen fassen müssen, beispielsweise für die Gemeindeversammlung im September zum neuen Verkehrsrichtplan.»
Blickt der abtretende Präsident auf seine über sechs Jahre im Amt zurück, so waren vor allem die ersten drei sehr turbulent: «Die Abstimmung zum Parkplatz im Zentrum, die Ersatz- und Zwischenwahlen, die Steuerdiskussion», fasst der 40-Jährige zusammen. Im Sommer 2016 sei dann sozusagen der Höhepunkt gewesen: die erfolgreiche Fusion von politischer Gemeinde und Schule. «Die FDP hat damals ein altes Thema neu lanciert, es gab einen runden Tisch und alle Parteien – von links nach rechts – haben sehr gut zusammengearbeitet», erinnert er sich.
Ein halbes Leben für die Politik
Lange gedauert und vor allem früh gestartet hat die politische Karriere des heute 40-Jährigen. Auf insgesamt 20 engagierte Jahre in der FDP schaut Albert zurück. In Zürich aufgewachsen, schloss sich der damals 20-jährige Jurastudent der FDP im Kreis 7 an. Bald übernahm er das Vizepräsidium der städtischen Jungfreisinnigen. «Ich bin ein überzeugter politischer Mensch», sagt er, «schon in der Familie haben wir oft über das Weltgeschehen diskutiert.» Mutter und Vater stammen beide aus Argentinien, seine Muttersprache ist Spanisch. Dennoch fühle er sich als Schweizer – im Militär erreichte Albert den Grad des Majors. «1992 war da die EWR-Diskussion für mich ein ganz wichtiger Moment.» Jeden Freitag habe er die «Arena» geschaut, «ich war ein Arena-Watcher», sagt er und lacht. «Das waren die Glanzzeiten dieses Formats, mit Filippo Leutenegger als bestem Moderator.» Heute ist jener ein Parteifreund von Albert.
Mit 22 Jahren übernahm Albert das Kantonalpräsidium der Jungfreisinnigen. «Wie jeder junge Mensch wollte ich die Welt verändern, war ganz und gar Anti-Establishment.» Dies könne man nicht nur als SPler. «Ich war gar nie Sozialist, ich halte die persönliche Freiheit hoch, so auch das Individuum.» Eine Umverteilung und Gleichmacherei, wie sie die Sozialisten anstreben, lehnte schon der junge Albert ab. Der Freisinn ist für ihn bis heute ein Synonym für «frei sein von»: «Also hauptsächlich frei von Staat, frei von Zwang.» Albert selbst kommt aus dem Bildungsbürgertum. «Jeder, der bei uns will, kann aufsteigen», findet er. Aufgewachsen am Hottingerplatz in der Stadt, zog er während des Studiums nach Witikon und mit 32 Jahren nach Küsnacht. «Hier kannte ich viele Freunde und auch Kollegen aus meiner Partei», begründet er die Wohnsitzwahl.
Seit einem Monat ist seine Familie – Albert ist Vater von zwei kleinen Töchtern, ein- und dreijährig – auf der Forch zu Hause. «Unser neues Daheim haben wir während der Pandemie gefunden, ganz per Zufall», sagt er. Die Besichtigung habe mit Maske und Abstand stattfinden müssen. «Wir haben schon länger nach einem Haus mit Garten gesucht.» Nun liegt dieses sogar zwischen zwei Seen – dem Zürichsee und dem Greifensee.
Quarantäne gut überstanden
Die Quarantänezeit hat die junge Familie gut überstanden. «Die Kinder haben zwar die Krippe und die Grosseltern vermisst, doch miteinander haben wir dafür mehr Zeit verbracht.» So ging Albert jeden Tag mit den Töchtern spazieren. «Das geht jetzt nicht mehr.» Albert ist wieder engagiert in seinem Beruf als Anwalt zurück. Seit fünf Jahren ist er bei einer internationalen Grossbank in Zürich tätig, zuvor war er bei einer privaten Kanzlei. Spezialisiert hat er sich in London bei einem Nachdiplomstudium in internationalem Bankenrecht. «Jetzt inhouse zu arbeiten bei der Bank, bringt mir viele Vorteile», sagt er, «im daily business ist man ein geschätzter Partner. Mehr als ich es damals als Externer war.»
Die wichtigsten Eigenschaften eines Parteipräsidenten sind für Albert Überzeugungskraft, gute Vermittlungsgabe und Standfestigkeit. Ein grosses Vorbild war für ihn damals als junger Präsident Trudi Erismann, selber Vizepräsidentin bei der FDP Küsnacht. «Eine grosse Figur für Küsnacht.» Von ihr habe er nicht zuletzt gelernt, dass man nicht provozieren muss, um ans Ziel zu kommen. «Nicht jeder Kampf muss geführt werden», fasst er zusammen.
Früher ein Hitzkopf
Früher sei er schon ein «prinzipientreuer Hitzkopf» gewesen. Heute bezeichnet sich Albert als besonnener und erfahrener – auch etwas resignierter? Er lacht. «Ja, vielleicht auch etwas resignierter.» Aber wichtig ist ihm immer noch, «unabhängig zu sein». Gerade als Präsident der grössten Partei in Küsnacht. Deshalb steht Albert auch für die Beibehaltung des Schweizer Milizsystems in der Schweizer Politik ein. «Dieses garantiert nicht nur Unabhängigkeit, sondern auch Diversität.»
Albert stört an der heutigen Politik, dass sich alle Parteien immer ähnlicher werden. «Die wirklich harten Debatten fehlen.» Mit dem Resultat, dass die Wähler die einzelnen Exponenten gar nicht mehr unterscheiden können. Gegen diesen «Einheitsbrei», wie er ihn nennt, wehrt sich der FDPler. Das Ziel dürfe nicht sein, eine Mehrheit zu gewinnen. «Sonst tendieren alle Parteien in die Mitte.»
Und hier, zum Schluss, blitzt nun Alberts wahre Leidenschaft auf: das intellektuelle Debattieren. Im Studium besetzte er die Fächer Altgriechisch und Latein; sein Herz schlägt für die politische Philosophie. Und: Er bewundert Napoleon, diese grosse Figur der französischen Geschichte.
«Ja, ich bin ein Napoleon-Fan», sagt er. Dieser habe viel verändert, auf allen Ebenen, hatte viel Energie und sei ein umfassender Reformer gewesen. Wie auch Cicero und Seneca. Albert: «Beides grosse Ideengeber und Veränderer.» Den Leadership einer Margaret Thatcher bewundert er ebenso wie den eines Ronald Reagan. «Das heutige politische System schätzt hingegen eher systemerhaltende Personen», findet er, und das sei schade.
Für seine Partei, die FDP, sieht der abtretende Präsident nur einen Weg: «Sie muss sich wieder auf ihre Grundsätze besinnen: also mehr Freiheit, weniger Staat.»
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Der Nachfolger
Michael Fingerhuth (53), gelernter Schriftsetzer, ist Geschäftsleiter der CH Media Print AG. Er lebt seit fünf Jahren mit seiner Partnerin und mit ihrem sechsjährigen Sohn in Itschnach. Mit dem Umzug von Zürich hat er auch in den Vorstand der FDP Küsnacht gewechselt, davor war er im Vorstand der FDP Zürich 7/8 tätig. Bei den letzten Gesamterneuerungswahlen leitete er den Wahlkampf der FDP Küsnacht. Am 24. August wird er wohl als Nachfolger von Thomas G. Albert als FDP-Präsident gewählt. (moa.)