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Wie ein Schachspieler zwei Schritte voraus

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Während im Restaurant Sonne fein gegessen wird, steht Hisni Shabani bei jedem Wetter auf dem Parkplatz und geht einer wenig beachteten, aber wichtigen Tätigkeit nach. Er parkt die Autos der Gäste mit viel Geschick ein und wieder aus.

Die warme Weihnachtsbeleuchtung geht an, während das Thermometer die Null-Grad-Marke anschneidet. Ein nicht definierbares, doch umso appetiterregenderes Aroma steigt in die Nase, bevor das erste Auto die Weihnachtslämpchen mit seinen Scheinwerfern verschluckt und sich sein Abgasgestank mit dem Küchenduft vermischt.

In Mitten dieser Reizüberflutung auf dem Parkplatz des Küsnachter Hotels und Restaurants Sonne steht Hisni Shabani, Mitarbeiter des Parkdiensts. Ein älterer Herr, mit seiner schwarzen Jacke nahezu unsichtbar zwischen den dunkelfarbenen Karossen. Seine Berufsbezeichnung sagt wenig über seine eigentliche Tätigkeit aus. Ein konkreter Begriff für seinen Beruf existiert nicht. Sicher ist, dass er es hin und wieder schafft, den Gästen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Fahrlehrer würden ihn lieben
Wenn die hungrigen und die sich nach schönem Ambiente sehnenden Besucher die Einfahrt zum Parkplatz nehmen, wartet Hisni Shabani bereits, um deren Autos auf seine ganz eigene Art. zu parken. Zirka 16 Plätze sind am Rand des Areals eingezeichnet. Shabani kann die Anzahl geparkter Fahrzeuge nahezu verdoppeln, indem er den Platz, der eigentlich für das Herausmanövrieren gedacht ist, besetzt. Eine Spielerei, die Millimeterarbeit benötigt. Und er will schnell sein. Ob die Gäste kommen oder wieder gehen möchten, «deren Zufriedenheit hat für mich höchste Priorität», so Shabani. Fahrlehrer würden ihn lieben. Die engsten Kurven nimmt er in einer Bewegung, als wären die Autos auf Gleisen geführt. Aus den engsten Stellen manövriert er die Fahrzeuge heraus, wobei man sich als Beobachter fragt, wie er es schafft, bei diesem Tempo keinen einzigen Kratzer zu verursachen.

Als Profiparker hat er viele Gäste, die aufgrund der Grösse ihres Autos den Parkplatz nicht benutzen wollten, vom Gegenteil überzeugen können. «Wissen Sie, für mich ist jedes Auto klein. Ich brauche nur ihren Schlüssel und ich kümmere mich darum», erklärt er zweifelnden Gästen nahezu im Wochentakt. Es ist seine Denkweise, die ihn für die «Sonne» so unabdingbar macht. «Mut», nennt Shabani als Schlagwort, um aufzuzeigen, wie er so schnell die Autos parken und wieder zurückbringen kann. Bei den vielen Gästen sind auch Geduld und Konzentration ein wichtiger Aspekt. Die labyrinthartige Anordnung der Autos hat System. «Manchmal fühle ich mich wie ein Schachspieler. Ich muss immer ein paar Züge vorausdenken», sagt Shabani.

Er verliert nie die Übersicht und weiss stets, wie er die Autos verschieben muss, um auch noch das verkeilteste vorfahren zu können. Irgendwann sei aber Schluss. Anders als im Spieleklassiker Tetris löst sich auf dem Parkplatz nichts in Luft auf. «Wenn der Platz voll ist, ist er voll. Die Gäste können lange mit mir diskutieren, aber sie müssen sehen, dass wir keine zweite Etage haben. Daran kann auch ich nichts ändern», sagt der 62-Jährige. Selbst wenn er in solchen Situationen etwas durchgreifen muss, hat er stets ein Lächeln auf den Lippen. Es komme besser an, die Besucher freundlich darauf hinzuweisen, dass sie woanders parken müssen.

Er bewegt nicht nur Autos
Wer denkt, Hisni Shabanis Abende bestehen aus Warten und Rumstehen, irrt sich. Er ist ständig in Bewegung. Der Autoakrobat mit kosovarischen Wurzeln hat bei grossem Ansturm am Ende eines Tages schon bis zu 28 Kilometer zurückgelegt. In den Wintermonaten komme ihm das zugute, immerhin habe die Bewegung einen wärmenden Effekt. Knieprobleme, die er aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als Lastkraftwagenfahrer hatte, seien mittlerweile komplett verschwunden.

Seit 22 Jahren loyal
Vom heissen Sommer, wo der Ansturm am grössten ist, bis im nasskalten Winter während der Weihnachtszeit, Hisni Shabani ist einsatzbereit. Zu wissen, im Warmen wird gemütlich zu Abend gegessen, störe ihn überhaupt nicht. «Irgendjemand muss es ja machen und ich mache es sogar gerne», versichert er und fügt an: «Ich kriege für meine Arbeit jeden Tag Komplimente. Das motiviert mich.» Sein Arbeitgeber weiss, was er an seinem treuen Parkdienstmitarbeiter hat. Vor 22 Jahren habe man nach jemanden für diese Arbeit gesucht, sagt Hotelière Catherine Julen Grüter. Hisni Shabani sei bis jetzt geblieben und daran soll sich in den nächsten drei Jahren bis zu seiner Pension nichts ändern. «Er ist eine treue Seele. Und es ist jedes Mal aufs Neue beeindruckend, wie er stets einen kühlen Kopf bewahren kann.»

Trotz all des Lobes von den Besuchern und seinen Vorgesetzten, Trinkgeld bekomme er selten. So bescheiden Shabani ist, hat er dafür Verständnis: «Die Leute geben den Kellnern schon Trinkgeld. Da kann ich und will ich nicht viel erwarten.»

Zwischen Abgasgeruch und Gaumenschmaus, zwischen Xenonscheinwerfern und Lichterketten, Hisni Shabani stellt auch dieses Jahr seine Weihnachtsfeier hinten an. So wird er an Heiligabend die Autos in Windeseile aus den verzwicktesten Stellen vorfahren. Dann hatte eine Besucherin recht, als sie ihn als Zauberer bezeichnet. (Dennis Baumann)