Gemeinderat Martin Wyss (FDP) hat eine strube Zeit hinter sich. Als Vorsteher Sicherheit ist der Küsnachter für die Polizei, die Feuerwehr, die Seerettung und den Zivilschutz zuständig und Mitglied in zwei Krisenstäben der Gemeinde während und jetzt nach dem Lockdown.
Martin Wyss, Sie haben mit dem Krisenstab Gesundheit Szenarien entwickelt, um die Küsnachter Heslihalle oder das ehemalige Altersheim Sonnenhof in Betrieb zu nehmen, falls die Zahl an Corona-Patienten die Kapazitäten übersteigt. Wohin kämen die Patienten aus Küsnacht?
Die Patienten werden primär dort erstversorgt, wo sie sich melden. Darauf, und auch auf eine allfällige spätere Umteilung von Patienten, haben die Gemeinden keinen Einfluss.
Das Worst-Case-Szenario ist bisher nicht eingetroffen. Wie aber ist Küsnacht dafür gerüstet? Und warum die Heslihalle und der Sonnenhof?
Wir bereiteten uns in verschiedenen Eventualplanungen darauf vor, Patienten zu betreuen, die nicht zwingend im Spital behandelt werden müssen, jedoch aufgrund der Krankheit und ihrer Lebensumstände auch nicht zu Hause gepflegt und betreut werden können. Sowohl die Heslihalle als auch der Sonnenhof boten je für sich Vor- und Nachteile, die im Konzept berücksichtigt wurden. Den Sonnenhof würde der Zivilschutz nicht alleine betreiben; eine Koordination der erforderlichen Mittel erfolgt bei solchen Infrastrukturen über die kantonale Führungsorganisation.
Wie schnell wären Sie handlungsfähig?
Der Zivilschutz wäre aufgrund der erfolgten Vorbereitung in der Lage gewesen, diese Infrastrukturen innert Wochenfrist in Betrieb zu nehmen und im Falle der Heslihalle auch zu betreiben.
Was, wenn in einer zweiten Welle doch noch mehr Patienten anfallen? Wie geht es dann konkret weiter?
Wir haben uns an die neuen Lebensumstände wohl gewöhnt. Die Krise ist jedoch noch nicht vorbei und wir wissen nicht, wie sich die Fallzahlen weiterentwickeln werden. Natürlich hoffen wir, dass sie tief bleiben. Die Vorsicht gebietet es jedoch, einen erneuten Anstieg als möglich zu betrachten. Die bisherigen Eventualplanungen behalten Gültigkeit und können bei einer erneuten Veränderung der Lage angepasst werden.
Woher haben Sie die Betten für die Heslihalle und den Sonnenhof überhaupt und wie viele sind es insgesamt?
Der Zivilschutz verfügt über entsprechende Betten und hätte in einer ersten Phase ungefähr 40 Betten an den Standort Heslihalle oder Sonnenhof verschoben.
Wie wäre der Ablauf, falls eine Überzahl an Patienten zu behandeln wäre? Und würde es heissen «Küsnachter first»?
Die Zivilschutzorganisation der Gemeinden Küsnacht, Erlenbach und Zumikon – kurz ZSO KEZ genannt – betreut alle drei Vertragsgemeinden und es war klar, dass eine Einrichtung mindestens auch diese Gemeinden abdeckt. Das Gebäude des Sonnenhofs hätte aufgrund der Grösse und der Infrastruktur zudem ein grösseres Einzugsgebiet zugelassen. Dies hätte – wenn dieses Projekt weiterverfolgt worden wäre – der Kanton in seine Planung aufgenommen und festgelegt.
Dann wäre der Einsatz des Sonnenhofs etwas komplexer, aber auch besser geeignet, wie Sie sagen.
Ja, sowohl Grösse als auch bestehende Infrastruktur des ehemaligen
städtischen Altersheimes Sonnenhof schien geeignet, im Fall einer extrem starken Zunahme der Fallzahlen Patienten aufzunehmen. Diese hätten in Zimmern betreut werden können, was hinsichtlich des Schutzes vor Weiterverbreitung der Krankheit sicher besser wäre als in der Heslihalle. Umgekehrt erhöhen Einzel- oder Doppelzimmer tendenziell den Betreuungsaufwand. Das Kommando der Zivilschutzorganisation erarbeitete hier ein Konzept, nachdem wir uns gemeinsam mit der Leitung des Spitals Männedorf ein Bild verschafft und abgesprochen hatten.
Als Sicherheitsvorsteher betreuen Sie den Zivilschutz, und da nicht nur Küsnacht, sondern zwei weitere Gemeinden: Erlenbach und Zumikon. Was bedeutete das an Mehraufwand und Koordination?
Die Gemeinde Küsnacht ist in der Zivilschutzorganisation sogenannte Leitgemeinde. In dieser Funktion bin ich Bindeglied zwischen den Gemeinden und dem Kommandanten. Alle wesentlichen und zeitlich nicht dringenden Entscheide werden in der zweimal jährlich tagenden Zivilschutzkommission gefällt, welcher nebst mir auch die Sicherheitsvorsteher Erlenbachs und Zumikons angehören. Diese Zusammenarbeit hat sich sehr bewährt, ist der Aufwand pro Gemeinde doch bedeutend kleiner, als wenn jede einzelne Gemeinde eine eigene Zivilschutzorganisation unterhalten müsste.
Über wie viele Zivilschützer verfügt die «ZSO KEZ» derzeit?
Die ZSO KEZ hat aktuell zirka 180 Zivilschützer. Das ist eine gute Zahl. Denn ein zu kleiner Bestand an Zivilschützern in der Organisation wäre wenig effizient und die Durchhaltefähigkeit problematisch.
Sie sind gleich in zwei der insgesamt drei Krisenstäbe in Küsnacht vertreten, nebst dem der Gesundheit auch dem der Gesamtgemeinde. Wie organisierte man sich da? Was ist der Zeitaufwand?
Beide Krisenstäbe kamen ungefähr wöchentlich zusammen. Aktuell ist der Sitzungsrhythmus leicht tiefer, doch sind die Stäbe noch aktiv.
Wie trifft man sich?
Selbstverständlich treffen wir uns nicht alle zusammen physisch in einem Raum. Das würde ein unnötiges «Klumpenrisiko» darstellen, was es zu vermeiden gilt. Schliesslich sollten sich die Mitglieder der Gemeindeführungsorgane nicht gegenseitig anstecken und gesamthaft ausfallen. Nebst den ordentlichen Sitzungen gab es zahlreiche weitere Besprechungen und Termine – langweilig wurde es in den vergangenen Wochen nie.
Ist die Zeit jetzt noch so streng wie die am Anfang?
Die Intensität hat nachgelassen. Die Strukturen sind eingespielt und wir sind gut organisiert. Selbstverständlich bleiben wir am Ball, um bei einer Veränderung der Ausgangslage umgehend reagieren zu können.
Sie müssen als Sicherheitsvorsteher auch garantieren, dass die Feuerwehr und die Seerettung allzeit einsatzbereit sind und bleiben. Was gab es da für besondere Vorkehrungen zu treffen?
Gemeindepolizei, Feuerwehr und Seerettung müssen ihren Kernauftrag auch in der Pandemie jederzeit erfüllen können. So kann es auch in der Krise brennen und zu Seenotfällen kommen. Der Feuerwehrkommandant, der Seeretterobmann und der Abteilungsleiter Sicherheit haben deshalb in ihren Bereichen Konzepte erarbeitet, um eine verhängnisvolle Ausbreitung des Virus in der Mannschaft zu verhindern. So rückt die Feuerwehr beispielsweise nur mit der dringend notwendigen Anzahl Feuerwehrleute aus und wird die Mannschaft, wenn immer möglich, auf verschiedene Fahrzeuge aufgeteilt.
Auf welchem Level werden die Vorsichtsmassnahmen nun weitergeführt, da Lockerung Stufe 2 vonstattenging?
Die Vorsichtsmassnahmen werden weitergeführt, wobei der Übungsbetrieb in Feuerwehr und Seerettung schrittweise wieder aufgenommen wird.
Noch einmal: Wie sind Sie auf eine zweite Welle vorbereitet?
Selbstverständlich bleiben wir flexibel und beurteilen laufend die Lageentwicklung. Ich hoffe jedoch, dass die Bevölkerung die Empfehlungen des BAG weiterhin respektiert und die Fallzahlen tief bleiben. In jüngster Zeit stelle ich aber im öffentlichen Leben eine gewisse Nachlässigkeit fest.
Wie blicken Sie persönlich auf Ihre Zeit mit Corona zurück?
Bis jetzt erlebe ich diese Zeit als herausfordernd: Die hohe berufliche Belastung mit den Aufgaben für die Gemeinde und den Bedürfnissen meiner Familie unter einen Hut zu bringen, war nicht immer einfach. Hier geht es mir nicht anders als vielen anderen auch.
Gab es auch Erfreuliches?
Überrascht hat mich die Belastbarkeit der Menschen in solchen Situationen und dass vor allem Kinder sehr flexibel sind. Und ich stelle mit Dankbarkeit fest, dass die Gemeinde Küsnacht auch in der Krise auf hervorragende Mitarbeitende und engagierte «Milizler» zählen darf. So lösten das Kommando der Zivilschutzorganisation und der Abteilungsleiter Sicherheit innert kurzer Zeit auftretende Probleme effizient, waren aber auch alle anderen in ihren Bereichen flexibel und einsatzfreudig.
Wird sich in Ihrem Leben «nach Corona» etwas verändern?
Ich mag die Isolation nicht, merkte aber auch, dass eine Entschleunigung auch positive Aspekte hat. Und: Schwere Krisen können auch die verwöhnte Schweiz jederzeit treffen. Deshalb sind Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch alle anderen gut beraten, Reserven zu bilden. Der Staat - also wir alle - kann in der Krise bloss kurzfristig Unterstützung leisten. Die Vorsorge bleibt aber auch Pflicht eines jeden Einzelnen. (Manuela Moser)