Schulpräsident Klemens Empting und Leiter Bildung Markus Schefer ziehen Bilanz über die Pandemielage an den Küsnachter Schulen. Beide sind guten Mutes, bald einen Schritt in Richtung Normalität gehen zu können. Das anstehende Skilager musste aber abgesagt werden.
Die Bildungsdirektion des Kantons hat aktuell die repetitiven Pooltests bis Ende Februar sistiert. Was halten Sie davon?
Markus Schefer: Im Moment macht es einfach keinen Sinn mehr, die repetitiven Reihentests durchzuführen. Die Verzögerungen in den Labors sind zu gross: Am Montag testen wir, am Freitag liegt das Ergebnis vor. Es ist die einzig richtige Entscheidung.
Was waren für Sie die grössten Herausforderungen seit Beginn der Pandemie, Herr Empting?
Klemens Empting: Der Anfang war extrem schwierig. Es wurde sehr kurzfristig entschieden, dass wir auf Fernunterricht umstellen müssen. Wir sprechen hier von wenigen Tagen, es bedeutete Wochenendarbeit für die Lehrpersonen und die Schulleiter. Glücklicherweise hatten wir schon ein Jahr vorher unsere Digitalisierungsinfrastruktur hochgefahren. Nicht viel später kam der zweite grosse Schlag: Der Fernunterricht wurde eingestellt, von einem Tag auf den anderen kam der Halbklassenunterricht. Das ist organisatorisch natürlich eine anspruchsvolle Aufgabe.
Und für Sie, Herr Schefer? Sie sind ja erst seit April 2021 mit dabei.
Schefer: Eine grosse Herausforderung ist die Kommunikation zu Lehrpersonen und Eltern. Wir haben mittlerweile das Corona-Schreiben 42, beim 26. habe ich angefangen. Daneben sind es die ständigen Anpassungen, die Massnahmen ändern sich schnell. Da den Überblick zu behalten und alle auf dem neusten Stand zu halten, ist anspruchsvoll.
Haben Sie während der Pandemie mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen?
Empting: Ach, wissen Sie, das geht schon Jahre, das hat nicht unbedingt etwas mit Corona zu tun. Natürlich ist es jetzt aber verschärft.
Mussten Sie den Schulbetrieb jemals einstellen, weil zu viele Lehrer gleichzeitig krank waren?
Schefer: Nein, das mussten wir noch nie. Dies ist einem sehr grossen Engagement der Lehrpersonen und der Schulleitung zu verdanken, welche sich da unglaublich ins Zeug gelegt haben.
Wie ist die psychische Verfassung der Lehrpersonen?
Empting: Wir haben nicht nur Lehrpersonen, wir haben einen ganzen Betreuungsbetrieb. Die Betreuung hat auch eine grosse Last zu tragen, sie müssen enorm flexibel sein. Die Leute sind natürlich belastet, das ist so. Grundsätzlich kämpft sich die Belegschaft aber noch immer motiviert durch.
Zwei Jahre sind eine lange Zeit im Leben eines Schulkindes. Beobachten Sie, dass sich diese an den neuen Alltag gewöhnt haben, oder sind sie vermehrt gestresst?
Schefer: Es gibt Studien, die zeigen, dass es von Kindern positiv gewertet wird, wenn sie aktiv zur Pandemiebekämpfung beitragen können. Ich stelle fest, dass sich die Kinder und Jugendlichen wirklich diszipliniert an die von uns vorgegebenen Bestimmungen halten. Andererseits ist es schon so, dass die Belastung dazu führt, dass viele Kinder an psychischen Problemen erkrankt sind. Jetzt nicht spezifisch an unseren Schulen, aber generell.
Wie wirkt sich die Pandemie auf den Lernerfolg der Kinder aus?
Schefer: Küsnacht hat eine der höchsten Gymieintrittsquoten von ganz Zürich, und diese ist auch in den letzten zwei Jahren gleichbleibend hoch geblieben. Von dem her glaube ich nicht, dass da ein grosser Einbruch stattgefunden hat.
Haben Sie Ihr psychologisches Betreuungsangebot ausgebaut, und wie zeigt sich die psychische Belastung bei Kindern?
Schefer: Es kann sein, dass die Kinder Schlafstörungen haben oder sich im Unterricht schlechter konzentrieren können – ich glaube, da unterscheiden sich Kinder nicht wahnsinnig stark von Erwachsenen.
Empting: Wir haben an allen Schulen einen Vertrag mit dem schulpsychologischen Beratungsdienst Meilen. Man muss jedes Jahr ein Stundenkontingent reservieren. 2020 und 2021 haben wir dieses überschritten, das war in den vergangenen Jahren nie der Fall. Wir haben die Pauschale auf 2022 jetzt auch erhöht, es sind über 10 Prozent mehr.
Es stehen Schlitteltage und Skilager an. Werden diese durchgeführt?
Empting: Wir hatten ein Skilager für die kommenden Sportferien geplant, die Schulpflege hat es jetzt abgesagt. Es gibt vom Bund die Anordnung, dass maximal zwei Klassen ins Lager dürfen. Und unser Problem war, dass wir auch die Regeln des Kantons Graubünden berücksichtigen müssen, unser Haus steht ja in Sarn.
Wissen Sie, wie viele Schülerinnen und Schüler an Ihren Schulen geimpft sind?
Schefer: Nein, das ist Privatsache der Kinder und Jugendlichen. Es sind aber immer mehr geimpft, vor allem mittlerweile auch jüngere Kinder.
Gibt es unter der Schülerschaft eine Spaltung, also in eine Gruppe, welche die Massnahmen akzeptiert, und eine andere, die das nicht tut?
Schefer: Ich kann das nicht bestätigen. Im Gegenteil, ich stelle fest, dass die Massnahmen sehr diszipliniert eingehalten werden.
Manifestiert sich da der Einfluss des Elternhauses?
Schefer: Im Detail kann ich das nicht sagen, aber ein Grossteil der Eltern trägt die vorgegebenen Massnahmen mit. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass an den repetitiven Reihentests, die ja freiwillig sind, weit über 80 Prozent aller Eltern mitmachen.
Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit den Eltern in dieser Krise beschreiben?
Empting: Das Feedback ist im Grossen und Ganzen unterstützend, hilfsbereit und positiv. Es gibt ganz wenige Einzelfälle, die schwierig sind. Ich hab auch schon ein E-Mail bekommen, wo ich auf die UNO-Kinderrechte hingewiesen worden bin, wegen des Maskentragens.
Gab es Eltern, die ihre Kinder ganz von der Schule genommen haben?
Empting: Mir ist kein Fall von langfristigem Corona-bedingten Homeschooling bekannt.
Was bekommen Sie von den Eltern mit, kommen diese langsam an ihre Grenzen? Haben Sie auch ein Unterstützungsangebot für Eltern aufgebaut?
Schefer: Es gibt Eltern, die gut mit der Situation umgehen, und andere, die weniger gut klarkommen. Dass wir jetzt als Schule ein Betreuungsangebot für Eltern aufbauen würden, hielte ich fast für eine zu grosse Herausforderung für die Schule. Ich glaube, da gibt es andere Angebote. Selbstverständlich haben wir eine Aufsichtspflicht, sollten wir beispielsweise feststellen, dass in einer Familie eine sehr schwierige Situation entsteht.
Empting: Falls es Probleme gibt und es sehr schwierig wird, wird ja auch die Kesb eingeschaltet.
Ist es seit Pandemiebeginn öfter dazu gekommen?
Empting: Ich hab den Eindruck, dass es leicht gestiegen ist.
Wie zufrieden sind Sie mit den Anweisungen der Bildungsdirektion?
Empting: Ganz am Anfang hätte ich mir ein bisschen mehr Zeit gewünscht. Es wurde extrem kurzfristig kommuniziert. Von der Bildungsdirektion her kamen zudem viele Empfehlungen, wo Regeln klarer gewesen wären. Wenn die Eltern anrufen, kann ich dann sagen «Rufen Sie doch bitte Frau Steiner an».
Seit kurzem ist nun der Notfallplan der Zürcher Bildungsdirektion in Kraft, der zulässt, dass auch weniger qualifizierte Personen an der Schule unterrichten können.
Schefer: Das finde ich gut. Es ist die einzige Möglichkeit, den regulären Schulbetrieb aufrechterhalten zu können.
Sie haben den allgemeinen Lehrkräftemangel angesprochen. Hat dieser Notfallplan das Potenzial zu einer langfristigen Massnahme?
Schefer: Nein, das denke ich nicht. Es ist wichtig, dass man die Qualität der Mitarbeitenden nicht herunterschraubt. Wir sind alle daran interessiert, die Qualität der Bildung hochzuhalten.
Empting: Man darf auch nicht unterschätzen, was es heisst, vor einer Klasse zu stehen. Das kann nicht jeder. Man sollte die Anzahl Ausbildungsplätze erhöhen – es kann nicht sein, dass wir immer am Händeringen sind.
Wie geht es Ihnen persönlich nach diesen zwei Jahren? Es war ja ein turbulenter Start für Sie, Herr Schefer.
Schefer: Es war natürlich herausfordernd, so anzufangen. Andererseits muss ich aber auch sagen, dass so eine Krise zusammenschweisst. Auf die bisherige Gemeinschaftsleistung dürfen wir zu Recht stolz sein.
Empting: Nach dem 50. Corona-Schreiben gibts dann eine Flasche Sekt oder so ... (lacht) Mir geht es so weit gut. Wir sind ja auch in einer privilegierten Position, die Impfquote in Küsnacht ist auch sehr hoch und wir haben doch Eltern, die sehr kooperativ und unterstützend sind. Aber auch ich spüre den persönlichen Kontaktverlust.
Was wäre in Ihren Augen das Worst-Case-Szenario?
Schefer: Wenn die Pandemie in den nächsten zwei Jahren in dieser Form weitergeht, die Hospitalisierungen wieder markant steigen, es zwangsläufig wieder zur Verschärfung von Massnahmen kommen würde und wenn man wieder in den Lockdown gehen müsste mit den Schulen. Dann wäre die Beschulung von Kindern aus allen Bevölkerungsgruppen nicht sichergestellt. Und wenn man keine Lehrpersonen mehr findet.
Was wäre das Best-Case-Szenario für Sie beide?
Schefer: Das Best-Case-Szenario für mich wäre, dass man jetzt dann den Höchststand erreicht hätte und die eingerichteten Massnahmen dazu führen würden, dass die Zahlen signifikant fallen und man ab Mitte März wieder in eine gewisse Normalität zurückkehren könnte.
Empting: Ich würde mir wünschen, dass das Coronavirus zu einem normalen Schnupfen mutiert. Dann wären wir durch.