Philipp Bretscher ist seit einem Monat Präsident des Gewerbevereins Küsnacht (GVK) – sein Start hätte in keine turbulentere Zeit fallen können. «Unterstützt das lokale Gewerbe!», so jetzt sein Hilferuf.
Philipp Bretscher, Sie sind seit kurzem Präsident des Gewerbevereins Küsnacht und schon mit der Corona-Krise konfrontiert. Wie geht es Ihnen?
Mir geht es gut, danke. Es sind herausfordernde Zeiten, aber man erlebt auch viel Schönes: wie Leute zusammenrücken, die gegenseitige Rücksichtnahme und Unterstützung. Das gibt einem extrem viel Kraft und zeigt, dass man sich in Ausnahmesituationen auf sein Gegenüber verlassen kann.
Was ist die grösste Herausforderung?
Für das Gewerbe klar, dass viele auf vermutlich unbestimmte Zeit ihren Betrieb schliessen mussten. Viele waren zuerst in einer totalen Leere, mussten sich dann aber schnell fangen und neu organisieren. Nun stellt sich die Frage, ab wann die Geschäfte wieder geöffnet werden dürfen. Eine gute Lösung für Gesundheit und Wirtschaft zu finden, wird aus meiner Sicht herausfordernd. Eine konstruktive Diskussion ist wichtig.
Welche Geschäfte sind noch offen in Küsnacht, haben Sie den Überblick?
Ja, dank dem engen Austausch habe ich das. «Offen sein» ist ja das eine, viele können jedoch auch mit Hauslieferservice noch Dienstleistungen anbieten. Eine aktuelle Übersicht findet sich auf der GVK-Homepage.
Gibt es schon ausgerufene Konkurse?
Davon habe ich keine Kenntnis.
Warum ist es jetzt wichtig, die lokalen Geschäfte zu unterstützen, statt sämtliche Einkäufe online bei Migros, Coop, Galaxis & Co. zu tätigen?
Das lokale Gewerbe braucht jetzt, in dieser herausfordernden Zeit, Unterstützung. Nur so steht das vielfältige Angebot dem Küsnachter auch nach dem Virus uneingeschränkt zur Verfügung. Unzählige Gewerbler machen jetzt Hauslieferservice und sind zügig in der Bereitstellung und Lieferung. Dadurch hat der Küsnachter in sehr kurzer Zeit alles, was er braucht. Und das, ohne Risiken einzugehen. Ein weiterer Vorteil: Während der Bestellaufgabe hat er nach wie vor den persönlichen Kontakt am Telefon. Unser Gewerbe macht für den Kunden alles möglich, im Gegensatz zum Online-Warenkorb.
Wäre auch ein Blumenabo eine Idee, das würde das Gemüt ja etwas aufhellen?
Ja genau, solche Ideen sind eine Wohltat für alle. Und wenn wir nun mehr zu Hause sind, kann man die Blumen auch geniessen. Viele kleine Gesten werden helfen, dass wir diese Zeit zusammen meistern. Zum Beispiel auch Gutscheine kaufen.
Yogalehrer bieten ihre Kurse online an ...
Genau, das ist ein gutes Beispiel. Auch der Coiffure, der Kunden per Telefon instruiert, wie die Haare in dieser Zeit nicht grau werden und die passenden Produkte bereitstellt. Auch gibt es geschlossene Geschäfte, die einen Pick-up-Dienst eingerichtet haben. Das ist toll und verbindet.
Die Buchhandlung Wolf wollte in Küsnacht den Verkauf über die Theke tätigen, wurde aber von der Polizei gestoppt. Welche Vorgaben muss man denn erfüllen?
Es ist ganz zentral, dass wir stets die Vorschriften einhalten. Zur Verteidigung muss man sagen, dass anfänglich vieles nicht klar war: Was darf man genau, was nicht? Ich kann versichern, dass niemand gegen die Massnahmen des Bundes verstossen möchte. Jeder muss hierzu die Vorgaben des Gesetzes einhalten und diese vorgängig abklären und beurteilen lassen. Eine generelle Aussage hierzu zu tätigen, wäre gefährlich. Jeder Ort ist aufgrund seines Set-ups einzigartig. Die Gesundheit und der Schutz der Küsnachter sind wichtig.
Die Einnahmen von Hauslieferdienst machen allerdings einen Bruchteil der üblichen Einnahmen aus, oder?
Auch hierzu kann ich nicht für die Gesamtheit von uns sprechen. Jedes GVK-Mitglied ist letztendlich auch selbstständiger Unternehmer und ich habe keinen Einblick in die Zahlen. Ich weiss jedoch von Beispielen, die nur einen Bruchteil der Bestellungen verarbeiten können. Hauslieferservice funktioniert also, aber die Kräfte müssen gebündelt werden.
Bauarbeiter arbeiten hingegen munter weiter. Ist Homeoffice ein Privileg für bessergestellte Arbeitnehmer?
Je nach Beruf lässt sich Homeoffice besser einrichten. Von bessergestellten Arbeitnehmern würde ich auf keinen Fall sprechen. Ich sehe es so: Arbeitnehmer von Migros, Coop, Post, Ärzte, Apotheken und Drogerien sowie auch Handwerker und viele weitere sehen nun, wie wichtig sie für die Grundversorgung sind. Ihr Beruf ist wichtig und hat Relevanz. Das kann man auch als Kompliment sehen und sollte Kraft für diese intensiven Wochen geben.
Das Angebot des Bundes lautet, Kurzarbeit zu beantragen. Das haben wohl die Meisten jetzt getan?
Jeder hatte nun einige Tage Zeit, sich zu organisieren und die Möglichkeiten abzuklären. Hilfe besteht, aber sie ist individuell und deckt im besten Fall einen Teil der Kosten ab. Dass ein Unternehmer sein Geschäft nicht öffnen und für seine Kunden da sein kann, hinterlässt jedoch auch bei ihm persönlich Spuren. Es ist eine herausfordernde Zeit für uns alle.
Wenn man auf die Seite des Kantons geht, zum Thema Kurzarbeit als Folge des Coronavirus, muss man viel Geduld haben. Das Amt ist völlig überlastet. Was hören Sie da?
Für die Ämter sind dies ebenfalls herausfordernde Zeiten. Die Gesuche müssen seriös und trotzdem zügig bearbeitet werden. Die Gewerbler sind sich bewusst, dass es sich hierbei nicht um finanzielle Unterstützung handelt, welche morgen schon auf dem Konto ist. Ich bin beeindruckt, mit wie viel Geduld und Verständnis das Gewerbe hier reagiert.
Wird das Geld vom Kanton reichen?
Das ist ebenfalls eine Frage, welche pro Gewerbetreibenden beantwortet werden sollte. Schliesslich muss es unser Ziel sein, dass es jeder durch diese herausfordernde Zeit schafft. Dazu müssen ausreichend Mittel bereitstehen.
Und was sagen Sie zum Hilfspaket der Gemeinde Küsnacht? (300 000 Franken). Und: Wird das reichen?
Das Hilfspaket wurde uns noch nicht im Detail vorgestellt. Nebst allen Fragen zu Versorgungssicherheit und Gesundheit finde ich es ein positives Zeichen, dass der Gemeinderat auch ans Gewerbe gedacht hat. Wann und in welchem Umfang die Gelder für das Gewerbe bereitstehen, müssen wir besprechen. Eine konstruktive Diskussion wird auch hier eine gute Lösung für alle Beteiligten liefern.
Sie persönlich betreiben in Küsnacht die Apotheke Hotz. Sie haben jetzt Hochsaison und geöffnet. Was erleben Sie in diesen Tage?
Wir haben geöffnet und es waren strenge Wochen für das Team. In erster Linie war es wichtig, die Gesundheit vom Team und den Kunden zu schützen. Es war von Tag 1 an unser Ziel, dass wir die Grundversorger-Rolle in dieser Zeit wahrnehmen können. Darum haben wir den Eingang verändert, Plexiglaswände eingerichtet und arbeiten mit Masken. Unser Team muss Sicherheit ausstrahlen. Ich bin beeindruckt und stolz, wie sie das täglich machen.
Wird sich die Wirtschaft, konkret das Gewerbe, von dieser Krise erholen?
Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam diese herausfordernde Zeit meistern werden. Im Kollektiv sind Höchstleistungen immer möglich. Ich bin vom vielfältigen Gewerbe in Küsnacht überzeugt: vor und nach Corona.
Welche (aufmunternden) Worte haben Sie zum Schluss?
Wichtig ist, dass jetzt alle zusammenspannen. Wir müssen zuhören, Kräfte bündeln, gute Ideen vorantreiben und stets eine Hand für Hilfesuchende ausstrecken. Ich bin überzeugt, dass wir diese Herausforderung gemeinsam meistern werden. (Interview: Manuela Moser)